Ulmer Schule.
Die
419
Auch erstreckte sich die Wirksamkeit dieser Malerschule weit über
das Weichbild der Stadt hinaus, südlich bis an den Bodensee, nordöstlich
den Neckar entlang und bis Pforzhekiin." In grossem Umkreise ünden wir
Werke vöümitiischen Künstlern oder doch eine ihnen verwandte Kunst-
richtung. Mehr als das grössere und reichere Augsburg war Ulm der
künstlerische Mittelpunkt yon Schwaben und es bildete sich hier eine
Schule, welche dein sinnigen, tüchtigen, schlichten Wesen des schwa-
bischen Volksstammes auch den rechten malerischen Ausdruck schaffte
und satte? bleibenden Anklang fand. Auch hier entwickelte sich diese
Kunstrichtung erst mit Hilfe der fiandrischen Schule, aber sie blieb
nicht in so unbedingter Hingebung an dieselbe stehen, wie Friedrich
Herlen, sondern machte von dem Dargebotenen nach eigenem Genius
Gebrauch, liess ltlanchesufallen und betonte Anderes stärker als dort
geschehen wärfih glänzender Farbenyyirliungi kommt sie jener nicht
gleich; ihre Farbe ist nicht ohne Kraft, aber doch
einförmiger, nicht vonlso reichem Umfange, nicht von so tiefer Gluth.
In der Zeigllllgpg steht sie ihr nicht nach, weiss den grögssäeren
Dimensionen, welche auch diese wie die anderen deutschen Schulen
annahm, ebenso zu genügen, wie jene ihren kleineren, aber mit manchen
Eigenthümlichkeiten. Namentlich liebt diese Schule eine einfache
Linienführung. Die Gewandfalten sind überwiegend geradlinig und
wenig gebrochen, die Körper schlank, manchmal selbst zu sehr, die
Gesichtszüge entschieden länglich, besonders die Nasenlänge und
Oberlippe. Die Bewegungen massig und ruhig. Bei Passionsscenen
wird auch hier die Rohheit der Peiniger sehr stark betont, aber doch
nicht in dem Uebermaasse und mit den verrenkten Formen wie in den
meisten anderen Schulen, so dass man auch an ihnen noch die Ruhe
und Gemüthlichkeit wahrnimmt, welche bei den andertitalten
vorherrscht. Jene geschilderte Gesichts- und Körperbildung ist nun
freilich kein Product der Phantasie, sondern aus der Natur genommen,
es ist der schirafbische Typus, aber das Vorherrschen gerader, ge-
führt er historisch aus, seien immer verbunden gewesen, und trafen nun bei ihm,
N icolaus, in einer Person zusammen. Aber die Malerei sei bei ihm grösser "Lande te
quem pictura summum, eloquentia mediocrem habet, et hortor ut qualis es
pictor, talem te velis oratorem praestare". Dieser Vorwurf der Mittelmätssig-
keit, dem Stadtschreiber in der eloquentia, also in seinem Berufe, der damals
gerade auch einen gewissen künstlerischen Nimbus hatte, gemacht, ist so auffallend,
dass man an irgend einen verborgenen Sinn, an einen Scherz, eine Ironie denken
möchte. Indessen ist der Brief doch übrigens zu ernst gehalten, und des Aeneas
Stellung als klassisch gebildeter Italiener, als anerkannter Redner und Poet, end-
lieh als Geheimschreiber des Kaisers dem namenlosen Stadtsecretär gegenüber,
mochte ihm schon einen etwas vornehm herabsehenden Ausdruck erlauben.
2?