Herlen.
Friedrich
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wenn auch von geringerer Geistestiefe und Originalität. Seine Ma-
donnen und Engel sind "von hohem Liebreiz und stehen nur in voll-
kommener Zeichnung denen der idealen Schule sehr nahe, überhaupt
ist seine Zeichnung, abgesehen von der auch bei flandrischen Meistern
häufig vorkommenden allzu kleinen Gestalt des Christkindes, ziemlich
correct, und die Auffassung der Porträtgestalten sehr lebendig und
individuell. Die Malereien auf der Rückwand des Schi-eins sind leicht
undhnachlässig ausgeführt, aber nicht ohne Verdienst. Die nackten
erinnern bei sehr vereinfacht gehaltener Zeich-
nungin ihrer ruhigen Haltung Wiederum an ilandrische Schule. Diese
werden daher von seiner Hand, die Passionsbilder dagegen von der
eines Gehilfen sein 1). [Bei wiederholter Betrachtung scheint doch
ein und dieselbe Hand das Ganze ausgeführt zu haben]
Auf diesen Arbeiten seines ersten N ördlingei: Aufenthalts finden
wir niemals eine Namensunterschrift, wie sie seine späteren Werke
fast. alle haben. Wahrscheinlich arbeitete er damals noch in fremder
Werkstatt und erwirkte sich nun erst, nach Vollendung des eben be-
schriebenen grossen Altars das Meisterrecht und zwar nicht in seiner
Vaterstadt, sondern in Rothenburg ob der Tauber. Wenigstens
finden wir ihn hier sogleich wieder mit einem grossen Altar beschäf-
tigt, der noch jetzt in der St.__JakQbskirche daselbst erhalten ist e).
Die Anordnung ist fast ganz dieselbe wie bei dem Nördlinger Altar.
Im Schreine Christus am Kreuze zwischen Maria und Johannes, hier
jedoch neben denselben noch auf jeder Seite zwei Heilige und sämmt-
liche Figuren nur in halber Lebensgrösse; auf den Flügeln wieder
Gemälde und zwar fast dieselben und in derselben Ordnung" wie dort,
nur dass an Stelle der Flucht nach Aegypten und der Scene im
Tempel hier der Todder Jungfrau die beiden letzten Felder ein-
nimmt. Die äusseren Flügel sind 1580 völlig übermalt, die Altarstaffel,
die hier erhalten ist, zeigt Christus zwischen den zwölf Aposteln
von des Meisters Hand, und die Rückwand gibt hier wieder und
ganz in derselben Weise wie dort das jünghstewGericht, darunter aber
sind zwei andere Momente aus den letzten Lebenstagen des Herrn,
nämlich das Abendmahl und die Fusswaschung. Diese Malereien sind
schwächer ausgeführt und haben durch die Zeit gelitten, die Innen-
bilder der Flügel aber lassen keinen Zweifel, dass sie von derselben
1) Ein Epitaphbild für einen im Jahre 1463 Verstorbenen auf Goldgrund in
derselben Kirche hat Verwandtschaft mit Herlen, ist aber weniger bedeutend.
9) Vergl. die Beschreibung von Schorn im Kunstblatt 1836 S. 5 ff. und von
Waagen a. a. O. S. 324. Eine Abbildung des ganzen Altars in E. Försters Denk-
malen, Band VI Bildnerei S. 3, und einer Tafel der Gemälde daselbst Malerei S. 73.