Friedrich Herlen.
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schen Schule bezeichnet, und der nur in den grösseren Städten, in
Augsburg und Ulm, einen besonderen Charakter" erhielt.
Die Richtung dieser Schule war nothwendig eine überwiegend
realistische; der bürgerliche Geist der Städte und der Zeitgeist führten
gleichwmttssig dahiif undauch der schwäbische Volkscharakter ent-
hielt ein realistisches Element. Aber dieser schwäbische Realismus
war doch nmiiötiei- gewöhnliche; er begnügte sich nicht mit der
äusseijegWwaliirlieitv, nicht mit dem Wohlgefallenan der glänzenden
Erscheinung der Dinge, sondern beruhte auf einer innigen, warmen,
fast schwärmerischen Anhänglichkeit an das Nahe und Einzelne, auf
einer Weichheit des Gefühls, der lyrischen Stimmung, die sich zu
allen Zeiten hier poetisch geäussert hat. Diese Verbindung des Rea-
listischen mit einem idealen Elemente erschwerte dem schwäbischen
Stamme die künstlerische Entwickelung; dem abstracten Idealismus
der vorigen Epoche hatte er sich nicht hingeben können und- als nun
realistische Empfindungen aufkamen und in anderen Gegenden Ge-
stalt-geivannen, fehlte es an der technischen Vorbildung. Die wenigen
schwäbischen Bilder, die wir dieser Zeit zuschreiben können 1), sind
rohßodei" doch stumpf und unerfreulich und auf dem einzigen bes-
seren Bilde dieser Uebergangszeit, das wir nachweisen können, stösst
der Meister einen Klageruf über Vernachlässigung der Kunst ausg),
die doch wohl damit zusammenhing, dass sie selbst im Allgemeinen
zurückgeblieben war und sich daher auch noch kein Publikum ge-
schaffen hatte.
In dieser Noth erschien die flandrische Kunst als eine Retterin
und die schwäbischen Meister wandten sich ihr daher mit einem Eifer
zu, wie "keine andere Schule. Einer dieser lileister, dessen Geschichte
und Werke uns besser bekannt sind, war Friedrich Härlen, Herlin
1) So das Bild von 1439 im Dome zu Augsburg, mit der Darstellung der mir
unbekannten Legende eines Bischofs, dem bei der Messe eine göttliche Erscheinung
wird (Vere felix est Sanctus cui hora sancti sacriiicii dextera dei apparuit;
Gottes Hand reicht ihm das Kreuz dar), das einzige datirte schwäbische Bild dieser
Zwischenzeit, das wir besitzen; ferner die beiden Tafeln mit je drei Heiligen aus
Almendingen (Grüneisen im Kunstblatt 1840, Seite 4l3) und eine Anbetung der
Könige, Nr. 1, 2 und 24 des Katalogs von 1855 der ehemals AbePschen, jetzt König-
lich Württembergischen Sammlung zu Ludwigsburg u. a. Die Wandgemälde aus
dieser Zeit (in Göppingen, Lorch, Hohenstaufen a. a. O: Seite 413) sind grössten-
theils "durch Uebermalung zerstört, indessen lässt sich bei ihnen noch weniger eine
frühe Entwickelung jenes subjectiv-realistisehen Elementes erwarten.
2) "Schrie Kunst schrie und klag dich ser, din begert jecz Niemen mer". So
Lucas Moser auf dem Bilde in Tiefenbronn vom Jahre 1431. G. d. B. K. Bd. V1,
Seite 469.