Carl Schnaasds
Biographie.
XLIII
zu ziehen hat, und dagegen jede Folgerung, welche in das Zweite
übergehen würde, zu vermeiden hat, bleibt der Richter mit den
höchsten Grundsätzen, der innern Gesetzgebung des Volkes, in be-
ständiger Berührung, und wird immer auf jenen Unterschied zwischen
materiellem und legislativem Rechte zurückgeführt. Dadurch erhält
er Anregung und Einsicht in das bürgerliche Leben des Volks, wenn
er mit Liebe zu demselben, mit praktischem Blick und Kenntniss
des Einzelnen seine Aufgabe erfüllt. Mir fehlt aber die Neigung
zum praktischen Leben ganz und darum hat sich auch der praktische
Blick nicht ausbilden können. Zu dem, was ich höhere Theorie in
meinem Fache nenne, gehört aber ein tiefer praktischer Blick. Dies
die negative Seite. Die positive aber ist, dass mich etwas Anderes
anzieht und dass ich, so tief ich das Drückende meines schwanken-
den, halben Zustandes fühle, so sehr ich mir selbst den Vorwurf
einer Heuchelei und fast einer Täuschung mache, indem ich in einem
Stande bleibe, dem ich meiner Neigung nach gar nicht angehöre,
so bin ich doch leider nicht in der Lage, mir eine günstigere Stellung
zu geben. Die hiesige ist vielleicht weniger durch die Amtspflichten,
als durch den Mangel einer Bibliothek ungünstig. Trotz fortdauernder
Kranklichkeit habe ich im verflossenen Jahre meine kunsthistorischen
Studien wieder aufgenommen und wenn auch im Anfang ohne völlig
bestimmte Richtung nach Möglichkeit fortgesetzt. Die Fragen, die
mich am meisten beschäftigen, über die ich am meisten gedacht und
Collectaneen gesammelt habe, sind mehr philosophisch-historischer,
als urkundlich-historischer Art. Allein nur durch mancherlei urkund-
liche, oder deutlicher monumentale Forschungen, denen aber erst ein
erschöpfendes Studium der edirten Monumente vorausgehen müsste,
könnte ich soweit kommen, mein Material vollständig zu übersehen.
Leider fehlt dies aber sehr, sowohl auf der hiesigen, als auf der
Bonner Universitäts-Bibliothek, und dieser Mangel nöthigt mich zu
einem anderen Plane, nämlich mich mehr an Einzelnes zu halten
und nur von Zeit zu Zeit durch Reisen zu besser versehenen Biblio-
theken meine mangelhafte Bücherkenntniss zu ergänzen. In diesem
Sommer habe ich mit einer Seebadereise einen Aufenthalt im Haag
verbunden und dann Belgien durchwandert. Freilich habe ich hier