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Schulen.
oberdeutschen
Die
Profil erinnernd und ist zuweilen von fast raphaelischer Schönheit
(z. B. Bartsch N0. 31). Vor Allem aber ist die Innigkeit und der
Seelenausdruck seiner Gestalten zu bewundern, die Abstufung des
Schmerzes in den Zügen der Maria, der Magdalena und des Johannes
bei der Kreuzigung, der Ausdruck der Ergebung und des Kampfes
bei dem betenden Christus am Oelberge u. s: w. Ebenso tief ist er
bei der Schilderung böser oder zweideutiger Gestalten; wie meister-
haft ist z. B. bei der ebenerwähnten Composition neben dieser reinen
Christusseele und dem Ausdrucke der Trauer auf den Gesichtern
der schlafenden Jünger der vorsichtig schleichende, die Kriegsknechte
heranführende Jiidas mit der wunderlichen Locke, die wie ein Horn
von seiner Stirn sich abbiegt und ihn als Satanskind kennzeichnet.
Geht man so auf die Gedanken des Meisters eiiijso wird man auch
die Häufung der gemeinen Gesichter und die heftigen Bewegungen
nicht mehr anstössig finden, weil sie nie ohne bestimmten Gedanken
sind und die feinsten psychologischen Abstufungen enthalten. In-
dessen mag man zugeben, dass die einfachen ruhigeren Aufgaben,
bei denen es nur auf Anmuthoder Würde ankam, uns mehr be-
friedigen. (Vgl. Fig. 29.) So die Bilder der Jungfrau oder die An-
betung des Kindes, die Flucht nach Aegypten, die das Vorbild für
Dürer's Darstellung geworden ist und diese in innerer Poesie über-
trifft, dann einzelne Gestalten, denen ein poetisehes Element abzu-
gewinnen war, St. Gegrg zu Rosse mit wallendem Ilaare, St. Christoph
.1nit dem schönen Ghristkinde auf der Schulter u. A., überhaupt die
einzelnen Gestalten. Aber auch selbst auf seinen grössesten Blättern,
z. B. der Kreuztragung, weiss er die Composition zu beherrschen,
und einzelne schöne Gestalten entschädigen vollkommen für manche
Härten. Der Versuch die chronologische Folge seiner Blätter nach
einem Kennzeichen festzustellen, ist misslich; man darf vermuthen,
dass die, bei welchen die Züge der Jungfrau und die ruhigere Hal-
tung der Gestalten näher an Roger erinnern (namentlich die Anbetung
des Kindes und die Hiinmelskönigin, Nr. 4 und 31 bei Bartsch),
früheren Ursprunges sind, aber es bleibt dann unter den anderen
eine grosse Verschiedenheit, die man kaum aus der Zeitfolge, sondern
wohl nur daraus erklären kann, dass er an der Grenze zweier Zeiten
stand und in seiner grossen Vielseitigkeit bald nach dieser bald nach
jener Seite angeregt war, bald im Sinne des reineren Schönheits-
gefühls der idealen Schule, bald von einem naturalistischen Bestre-
ben, das weit über die Grenzen der iiandrischen Kunst hinausging.
Vier seiner kleineren Blätter enthalten Medaillons mit den Zeichen
der Evangelisten, wahrscheinlich als Vorbilder für Goldschmiede. Dar-