XLII
Oarl Schnaasds Biographie.
keit nach allen Seiten entfaltete. „Dein Brief vom 14. September
traf mich in einem Zeitpunkte neuen Muthes und neuer Kraft, wie
ich ihn seit Jahren nicht gehabt. In der hiesigen Geschäfts-
einrichtung war ich bald orientirt. Das Beste bei meiner ganzen
Stellung ist, dass sie mir manche freie Stunde lasst. Aber leider
hatten mich die vorhergegangenen Jahre so zerstört, dass ich sie
Anfangs wenig zu benutzen wusste. Gesichtspunkt und Richtung
waren mir schwankend geworden und so traten mir viele verschie-
denartige Gegenstände verwirrend entgegen. In der Praxis glaubte
ich mich halten, das mir neue Recht möglichst studiren zu müssen,
und doch misslang mir der Versuch, mich für diese andere Form
mehr zu interessiren als für die einheimische, völlig. Die wissen-
Schaftliche
Seite
des
Rechts
kann
mich
Illlll
einmal
durchaus
nicht
fesseln, und doch wäre es nur dies, was die Praxis erträglich machen
könnte. Ich fühle aber immer mehr, dass mir dazu die Fähigkeit
mangelt. Die blosse logische Operation des Urtheilens, die blosse
Kenntniss von Gesetzen und Rechtssystemen machen jene wissen-
schaftliche
Seite
nicht
{LUS
und
diese
negative
Einsicht
ist
meiner
Meinung nach ein Hauptgewinn, den man aus dem französischen
Rechte mit nach Deutschland bringen kann, wo in der That die
entgegengesetzte Ansicht inehr oder weniger vorherrscht. Auch die
historische Kenntniss der Entstehung und Ausbildung der Legislation
genügt noch nicht, wenn man nicht zu der wissenschaftlichen Einsicht
gelangt, welche Theile des Rechts in ihrem Detail nothwendig, d. h.
mit der ganzen Richtung des Volkes unauflöslich verbunden, und
welche eigentlich legislativ, d. h. das schlechthin Willkürliche, sind.
Allerdings wird sich auch in ihnen der Volks- und Zeitgeist spüren
lassen, aber doch nur in sehr feinen Zügen und die Missgriife werden
selten von bedeutender Rückwirkung sein. Jedenfalls ist hier Be-
stinnntheit das erste und unerlässliche Erforderniss.
„Bei jenen ersten Bestendtheilen hat der Gesetzgeber nur die
allgemeinen Bestimmungen auszusprechen, die Folgerungen aber dem
lebendigen Rechte der Jurisprudenz zu überlassen. Die zweiten
dagegen müssen gegen jede Willkür von Seiten derselben gesichert
sein. Dadurch nun, dass jener dort Folgerungen im weiten Umfang