Die fränkische Schule.
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hatte die Kunst ihre Eigenthümlichkeit verloren und arbeitete im
Style der fränkischen Schule, so dass nur die nationalen Physiogno-
mieen den einheimischen Ursprung der Gemälde verrathenl). Das
Schnitzwerk des in St. Barbara zu Kuttenberg im Jahre 1502 er-
richteten Altars, dessen Urheber, Meister Jacob, ein Böhme gewesen
zu sein scheint und das ein damaliger Schriftsteller höchlichst preist,
ist durch die Jesuiten im Jahre 1673 beseitigt und für uns verloreng),
wird aber schwerlich eine Ausnahme von jener Regel gemacht haben.
hliniaturen aus Böhmen und ltlähren können wir zwar in grösserer
Zahl "nachweisen, aber auch in ihnen erlischt der einheimische Styl
und die Kunst entartet zur blossen mechanischen Handfertigkeit. Die
zum Theil sehr reich ausgemalten Missalien der Hussiten vom Ende
des 15. Jahrhunderts an, von welchen sich mehrere in den Biblio-
theken von Prag und besonders in der Ambraser Sammlung zu Wien
beünden und in denen der „gloriosus martyr Johannes Huss" bald
in seiner Ketzermütze neben die ältesten Märtyrer der Kirche gestellt,
bald durch ausführliche Darstellungen seines Flammentodes verherr-
licht wird, erregen mehr durch die Eigenthümlicheit des Gegenstandes
unser Interesse, als durch ihren Styl, der wiederum sich dem der
fränkischen Schule anschliesst.
imDieseffdie fränkische, oder wie wir sie nach ihrem Hauptsitze
nennen können, die N41"rnbergiscvhvewfrghule, erhielt sich nun zwar
in unverminderter Thätigkeit und selbst in steigendem Ansehen und
Einfluss, aber doch geht auch sie nicht mehr den andern in geistiger
Beziehung voran. Sie konnte sich der nayturalistischen Tendenz des
Jahrhunderts und dem Einiiusse der Evckschenf Schule nicht" ganz
entziehen, aber ebensowweniilgvaufr.das plastische hlillement, das Sie
unter der Herrschaftwdes idealen Styls vorzugsweise gepflegt hatte,
zu Gunsten einer mehr malerischen Auffassung yerzichtßn; Sie Sllßhte
daher beide zu.Merliindefifohncfeinikgeistiges Motiv dafür zu besitzen,
gerieth dadurch in eine leidige Mittelstenllungmzgwischen dem Plastischen
und ltialerischen, welche es weder zu vollendetergForm des Einzelnen
nocllzguwvollendeter Harmonie des Ganzen kommen lässt und verfiel
so mehr oder weniger jenem trockegienwljweualiosvmus, der die Dinge nur
in ihrer Aeusserlichkeit auffasst und nicht über das nüchterne Maass
gemeiner Wirklichkeit hinauskommt. Dazu kam dann die gewerbliche
Stellung Nürnbergs als einer Binnenstadt, die fern vom Meere und
1) Vgl. die Zusammenstellung der hierher gehörigen Gemälde und Miniaturen
von Passavant in v. Quasfs Zeitschrift, I. S. 241 E.
2) S. das Nähere bei Wocel in Heideris Mittelalterlichen Kunstdenkmälem
des österreichischen Kaiserstaates, I. 189.