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Die rheinischen Schulen.
treibung, sind aber im Ganzen natürlich motivirt, lebendig, nicht
ohne Würde. Nebeggxeßstalten sind oft bildnissartig undTndividuell,
und in der Auffassung herrscht immer eüiwänfs"chiedeneirNaturalis-
mus, der manchmal, z. B. bei den blutigen "Striemen der Geisselung,
schon in das Kleinliche verfällt, dann abäwauch wieder die biblische
Erzählung durch feine, aus dem Leben gegriffene Züge belebt. Die-
Modellirunghisjgwjtingewähnligh, kräftig, die Gewandbehandlung aber
noch in strengerem Style, einfach und ohne zu viele Faltenbrüche.
Man kann nicht sagen, dass däslSchönheitsgefühl besonders hervor-
tritt, es handelt sich bei unserm Meister vorzugsweise um Natur;
wahrheit, aber den Liebreiz..der Frauen hat er wohl zu würdigen-
fliirvviederzugeben gewusst. Die Landschaft ist sehr ausgeführt und
zwar nicht auf Goldgrund, sonderdlmitdunzfimlichem Himmel, aber
sie enßhßblitwder Fernsiehten undwder, luftigen Frische, ist schwerer
in der Farbe und nicht so belebt wie auf den flandrischen Bildern,
auch nicht zur Darstellung von Nebenmomenten benutzt. Ueberhaupt
sind diese Gemälde sehr achtungswerthe, realistische Kunstwerke,
aber sie haben nicht den poetischen Reiz, welthen- die flandrische
Schule in der IIIX-iiißßllen;jßcliöhlieitilirer" Farben und die Kölnische-
in der stismsqenuhläieblichkeit oder in den scharfen Contrasten der Ge-
stalten und in der kräftigen, durch den Goldgrund bedingten Farben-
stimmung hervorbringtl). Ein anderes Bild der Stiftskirche zu
Galcar, der Tod der Maria noch auf Goldgrund mit sehr lebendigen
Motiven, aber in sehr unbehülf Tcher Darstellung, gehört einem altern,
noch aus der westphälischen Sch e stammenden Maler. Dagegen finden
sich auffallender Weise zwei 8:33 unsers Meisters oder doch seiner
unmittelbaren Schul.e in weit ent rnter Gegend, nämlich in der Ma-
rienkirchve zu, Danzig. Das eine ist eine Stiftung des Johannes
Ferber, dessen Vateifuätus Calcar stammte und das Glück gehabt
hatte, sich in der Hansestadt zu grossem Ansehen und Reichthum
zu erheben und ist, wie sich durch die Standeszeichen seiner darauf
dargestellten Söhne aus ihrer genau bekannten Geschichte erweisen
lasst, zwischen 1481 und 1484 und zwar wahrscheinlich an Ort und
Stelle gemalt?) Es enthält ein Schrein wieder das SchnißZßfllli der
Kreuzigung, auf den Flügeln einzelne Heilige mit den Familienbildern,
1) Förster a. a. 0. S. 156 und Hotho, Gesch. d. deutschen u. niederländischen
Malerei, S. 188, scheinen mir im Lobe zu viel zu thun. [Die Benrtheilung des
obigen Werkes von Johann J oest, der wohl identisch mit dem bisher Segen. Meister
des Todes Mariä, ist einer Revision bedürftig, die wir aber hier unterlassen, weil
seine künstlerische Individualität in das 16-Jahrhundert gehört. D. H.]
9) Hirsch, Gesch. der Marienkirche zu Danzig, S. 228 u. 397.