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deutschen Malerschulen
Die
des
Jahrhunderts.
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deutung kaum zu ihrem vollen Rechte kommen konnte. In Deutsch-
land aber bestand eine bereits weiter ausgebildete Kunst, welche
ihren Gestalten grössere Verhältnisse gegeben und dabei nicht ohne
Erfolg nach idealefichwdnlineit und Charakteristik gestrebt hatte.
Das geistige Lenäfgiäiifiiiämais rückwärts; an ein Verzichten auf
diese tiefere Darstellung des Menschen war nicht zu denken, und es
kam daher darauf an, diese Vorzüge der einheimischen Kunst mit
denen der flandrischen, also namentlich mitjhrer Naturwahrheit gunrf
mit der landschaftlichen zu verbinden. Allein das War nicht"
so leicht, wie mtiirggiaütän mochte, und man blieb auf beiden Seiten
hinter den Vorbildern zurück. Zunächst genügte die Körperkennt-
niss den Ansprüchen nicht, die auf diesem Wege entstandehrpbei" den
kfeinen Dimensionen der iiandrischen Schule und bei der mehr sta-
tuarischenlilarlßullg ßlfßl." _Gestalten in der bisherigen idealen Kunst
derßdeßehen Schule waren ihre Mängel nicht soauffallend gewesen,
wie sie jetzt bei der erstrebten natürlichen und lebendigen Darstel-
lung der Hergänge erschienen. Und ebenso wie an der Kenntniss
der physischen Natur fehlte es an den nöthigen psychologischen und
physiognomischen Studien. Die Sitte war in Deutschland noch-"zu
wenigmdurchbiltlet, Hdie Charmalgtgeirc-Trßwaren noch zu unklar, um be-
stimmte Anschauungen zu gewähren; man war noch immer geneigt,
alles unter die abstracjtenuKrategorien des Guten und Bösen zu brin-
gen und fand im Sieben nur dieses Letzterneutucn ausgesprochen.
Die Naturwahrheit, nach der unsere deutschen Meister nunmehr als
Schüler der üandrischen strebten, war daher nur bei den Uebel-
thätern zu erreichen, während sie für die würdigen rernaen'aermeaj'
besonders der himmlischen Gestalten auf die Phantasie und auf die
Traditionen der idealen Schule angewiesen waren. Es kam dadurch
im Gegensatze gegen die harmlose, einheitliche Auffassung der flan-
drischen Schule ein Element des Zwiespalts und des Schwankens
zwischen idealen und realistischen Motiven in die deutsche Kunst,
welches selbst)beimaügeiächifäteüiiünstlern fühlbar ist. An Schön-
heitssinn fehlt es den deutschen Künstlern auch jetzt nicht und es
wüHexn-icht schwer sein, aus ihren Werken eine Reihe von Madon-
nen und anderen weiblichen und jugendlichen Gestalten zusammen-
zustellen, Welche durch den Adel gier, Züge, durch den Ausdruck
und Demuthwdie fast durchgängig etwas schwer
und voll gestalteten i'J"üngiräii'eh der Eyck'schen Schule übertrgäen.
Auch in der Innigkeit des, Schmerzes stehen sie hinter jenen nicht
zurück, nur dass sie oft, offenbar um tiefer zu ergreifen, einzelne
Aifecte, namentlich auch das körperliche Leiden, einseitig und grgll