Dauernde Vorliebe für die Miniaturen.
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nicht die willkürliche Vorliebe ihrer Könige und Grossen, welche sie
mehr und mehr in Abhängigkeit von Italien brachte, sondern ihr
eigenes Bedürfniss. Indem sie, im Gegensatze zu der ihr so nahe
verwandten flandrischen Kunst, sich einer idealen Tendenz zuwandte,
musste ihr natürlich die italienische Kunst als ein Vorbild erscheinen,
dem sie immer weiter nachstrebte. Foucquet hatte noch seine ita-
lienischen Studien benutzen können, ohne dem einheimischen Ge-
schmack untreu zu werden. Seinen Nachfolgern wollte dies nicht
gelingen; ihre Idealitat, die den Charakter des Graziösen und Vor-
nehmen festhielt, genügte höchstens in der Miniatur oder im schlichten
Porträt. Die italienische Kunst aber gewährte in voller Ausbildung
das, was die französische erst erstrebte und nur durch mühsame
Vorübungen erlangen konnte. Eskwar daher begreiflich, dass die Gönner
der Kunst Italiener ins Land riefen und die strebenden Künstler sich
diesen immer mehr anschlossen. Erst nachdem er die italienische
Schule durchgemacht hatte und im Anschluss an dieselbe fand der
französische Genius durch Simon Vouet und Nicolas Poussin die
Mittel zu eigenthümlichem Ausdruck.
Zweites
Kapitel.
deutschen
Die
Jahrhunderts.
Malerschulen des 15.
Der Ruf der ßgglrfselgen Schule verbreitete sich mit bisher un-
erhörter Schnelligkeit über das ganze Abendland und erweckte überall
den Wunsch des Besitzes und der Nachahmung ihrer Werke. Ein
Austausch und eine gewisse Gemeinsamkeit der Kunstübung aller
abendländischen Gegenden hatte schon bisher stattgefunden, aber
noch nie ein so ausgesprochenes Begehren, eine so allgevmejnegjer-
herrlichung eines Künstlernamens. Auch darin zeigt sich der An-
bruch einer neuen Aera. Es versteht sich, dass das benachbarte
Deutschland von diesem allgemeinen Streben keine Ausnahme machte,
und wir dürfen annehmen, dass schon das blosse Gerücht, die Enge-
liche {Sghildernngwder in Flandern erreichten höheren Belebung und
Naturwahrheitnauf unsere Meister einwirkte und sie zu den natura-
listisehenldßusvtrebungen anspornte, welche den frühesten Werken-der
Brüder van Eyck fast unmittelbar folgten. Aber nun veriioss eine
längere Zeit, ehe man nach dieser unbestimmten Anregung zu näherer