der französischen! Schule.
Bedeutung
E543
zum Vorschein gekommen sein. Mehr als Kriege und Revolutionen
könnte die Neuerungssncht der späteren Jahrhunderte und der Dünkel
geschadet haben, welcher die schlichten Werke der Vorzeit verachtete 1).
Aber auch dies möchte schwerlich so massenhaft und gründlich ge-
wirkt haben. Jedenfalls müssen also zu der kriegerischen Zerstörung
andere Ursachen hinzugekommen sein. Man hat in Frankreich selbst
die Unwahrscheinlichkeit der gewaltigen Zerstörung durch die Kriege
eingesehen und die Vermuthung aufgestellt, dass die damalige Schule
nicht so viel, wie es in Deutschland und in Italien geschehen, auf
Holz, sondern mehr auf Leinwand gemalt und dies den Untergang
der alten Bilder befördert habe2). Allein die Thatsache selbst ist
nicht erwiesen; wenn man auch in einzelnen Fallen, wie Foucquet
bei dem Bildniss Eugen's IV. in Rom, auf Leinwand malteg), so wur-
den denn doch auch oft, wie z. B. die dem König Rene zugeschriebenen
Bilder und selbst manche Porträts der Olouet, auf Holz gemalt und
endlich ist nicht zuzugeben, dass Bilder auf Leinwand viel vergang-
licher seien, wie die auf Holz. Schon der Umstand, dass Teppiche
des 15. oder 16. Jahrhunderts in den französischen Kirchen noch
ziemlich häufig erhalten sind, steht dieser Annahme entgegen. Eher
wird man den Grund für die Seltenheit der Gemälde darin suchen
dürfen, dass die Tafehnalerei überhaupt weniger als in anderen Län-
dern geübt und dass ihre Werke selten so ausgezeichnet gewesen,
um sich Freunde und Beschützer zu erwerben. Diese Annahme findet
auch ihre Bestätigung in den ermittelten Thatsachen. Zu erfolg-
reicher Kunstübung gehört eine gläubige, zweifelsfreie Hingebung an
eine bestimmte Weltanschauung und zwar an diejenige, welche der
augenblicklichen Entwickelungsstufe des menschlichen Geistes ent-
spricht. Die Niederländer hatten das Richtige getroffen; die fromme
kirchliche Demuth des Mittelalters und die innige, ahnungsvolle Liebe
zur objectiven unbewussten Natur waren bei ihnen zu einem ge-
diegenen Ganzen verschmolzen und befähigten sie zu vollkommen
harmonischen Kunstleistungen. Die französische Kunst, bis dahin
der niederländischen so nahe stehend, konnte ihr auf diesem Wege
1) Ein paar Beispiele der Zerstörung mittelalterlicher Denkmale durch den
Leichtsinn und die Bequemlichkeitsliebe der Domherren des 18. Jahrhunderts aus
Nantes und Paris giebt de Guilhermy in den Annales archeologiques, Vol. II.
p. so, 91.
2) Bulletin du comlte historique, Vol. II, p. 1-32.
ß) In einem an die Kirche St. Ouen in Rouen anstossenden Raume hat man
Gemälde auf Leinwand aus dem 13. Jahrhundert entdeckt, welche zur Bekleidung
der Wand verwendet waren. Annales archeologiques II, p. 322.