Vorliebe für das Portrait.
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hohen Personen, deren Bildnisse begehrt wurden, nach dem Leben
zu zeichnen, suchten sie Porträts derselben zu erlangen, von denen
Sie dann weitere Copien anfertigten. Einige begnügten sich dabei
mit Zeichnungen in Kreide, gewöhnlich in zwei Farben, von denen
sie Sammlungen bildeten und im Ganzen verkauften 1). Andere aber
stellten sich höhere Ziele und strebten dahin, die Bedürfnisse des
Vornehmeren Publikums durch Oelgemälde, womöglich im Style und
mit dem Reize, welchen Janet seinen Bildern zu geben wusste, zu
befriedigen. Brantome erzählt von einem Maler zu Lyon, Namens
Corneille, welcher Bildnisse aller grossen Herren, Prinzen und Cava-
liere, sowie der Königinnen, Prinzessinnen und Damen des franzö-
sischen Hofes gemalt und in einem grossen Zimmer seines Hauses
zusammengestellt hatte. Die Königin Catharina von Medicis besuchte
diese Sammlung und war sehr angenehm überrascht, darin auch ihr
eigenes Bildniss und zwar aus früheren Jahren und in vortheilhafter
Erscheinung, sowie die Porträts ihrer drei schönen Töchter zu finden 9).
Der Umstand, dass die Königin ihr Bildniss noch nicht kannte, he-
weist, dass sie zu demselben nicht gesessen hatte. Oorneille muss
also Porträts anderer Maler benutzt, aber auch nicht sklavisch copirt,
Sondern so verändert und ausgestattet haben, dass sie den darge-
stellten Personen neu erschienen und ihrer Eitelkeit schmeichelten.
Er war also ein Mann von Geschick, der das Gewerbe der Porträt-
malerei im Grossen und mit günstigem Erfolge betrieb. Allein es
folgt daraus nicht, dass er ein grosser Künstler war und eine selbst-
ständige Stellung neben Francois Olouet einnahm. Vielmehr berech-
tigen uns sowohl die Nachrichten, als die vorhandenen Bilder zu der
Annahme, dass dieser ohne wirklichen Nebenbuhler war.
Mit dem Tode des Frangois Olouet dürfen wir diesen Abschnitt
schliessen. Der Zweck desselben war die Gestaltung der französischen
Malerei unter dem Einilusse der neuen, im Beginn des fünfzehnten
Jahrhunderts erwachenden Ideen und der Einwirkung der Eyckschen
Schule kennen zu lernen. Der fast gänzliche Mangel an Gemälden
des 15. Jahrhunderts nöthigte uns zu möglichster Erforschung der
Thatsachen, welche über die künstlerischen Zustände Auskunft ver-
hiessen und führte uns dahin, auch die äussersten Spuren altfranzö-
sischen Geschmackes ins Auge zu fassen. Wir sind so bis weit hinein
slii
1) Einige solcher Sammlungen sind noch erhalten; so die von Castle Howard
in England, welche de Laborde, Additions p. 645 ii, genau schildert. Die meisten
dieser Kreidezeiclmungen sind indessen von untergeordnetem Kunstwerthe.
2) Vgl. die Erzählung des Brantome (Dames illustres, disc. II. p. 49, tome L,
La Haye 1740) bei de Laborde a. a. 0. p. 76.