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Französische Malerei des
Jahrhunderts.
Die Jahre der Geburt und des Todes von Frangois Clouet sind
uns nicht bekannt, da er aber, wie wir urkundlich wissen, von 1541
bis 1570 oder 1571 das Amt eines Hofmalers bekleidete, muss schon
seine Jugend in die Zeit gefallen sein, wo die italienische Malerei
in Frankreich die Herrschaft gewann. Seit seinem Regierungsantritte
suchte Franz I. berühmte italienische Meister in seine Dienste zu
ziehen. Im Jahre 1515 war Leonardo da Vinci, im Jahre 1517
Andrea del Sarto nach Frankreich gekommen. Beide wirkten zwar
nicht lange, jener starb 1519, dieser brach seine Verpflichtung und
kehrte nach Florenz zurück. Aber ihre Anwesenheit war nicht ohne
Frucht geblieben, der Geschmack des französischen Publikums hatte
sich immer mehr der italienischen Weise zugewendet. Auch fehlte es
nicht an weniger berühmten italienischen Malern, welche diese ihnen
günstige Stimmung benutzten, und als nun gar um 1530 die Ausfüh-
rung der grossen Wandmalereien von Fontainebleau begann, an denen
zuerst unter der Leitung von Rosso, dann unter der von Primaticcio
und Anderen zahlreiche italienische und bald auch von diesen ange-
leitete französische Gehülfen arbeiteten, war die Herrschaft dieses
neuen Styls entschieden. Man gewöhnte sich immer mehr an seine
anspruchsvollen Formen und es dauerte nicht lange, dass diese, wie
wir gesehen haben, selbst in die Miniaturmalerei eindrang. Allein
es gab dennoch Gebiete, welche diesem fremden Einflüsse Widerstand
leisteten, und dahin gehörte vor Allem die Bildnissmalerei. Sie war
einebesonders beliebte, den französischen Zuständen, wie sie sich
gestalteten, besonders zusagende Gattung. Der royalistische Sinn,
das durch das Bewusstsein feiner und eleganter Sitte gesteigerte
Selbstgefühl, die höiische Geselligkeit und die damit verbundene
Neigung zu wechselnden zärtlichen Verhältnissen, alles führte dahin,
dass man es liebte, die eigene Erscheinung und die der hervorragen-
den Persönlichkeiten bildlich zu iixiren, man strebte danach, Samm-
lungen von Porträts zu besitzen, um die Erinnerung zu unterstützen 1).
Der Sinn für Aehnlichkeit wurde dadurch geschärft, man nahm es
sehr strenge damit. Selbst der harte Sinn Ludwigs XI. legte S0
grossen Werth, auf die Richtigkeit seines Grabbildnisses, dass er
die Hand des Jean Clouet auch in zwei Bildnissen der zweiten Gemahlin Franz
Eleonore von Oesterreich, das eine Exemplar in Harnptoncourt, das andere. 1m
Besitze des Herrn v. Minutoli zu Liegnitz, und in einem besonders ausgezelch-
neten Bildnisse der Margaretha von Valois, Schwester Franz 1-, in der Rßyal 111-
stitution zu Liverpool, wieder zu erkennen.
1) Zahlreiche gute Bemerkungen über die Vorliebe für das Porträt bei de La-
borde, Renaissance p. 38 ff.