326
Französische Malerei des
15. Jahrhunderts.
zurückkommen müssen, nachdem wir zuvor betrachtet haben, was wir
von schriftlichen Nachrichten aus dieser Zeit besitzen.
Aufzeichnungen, welche, etwa wie die des Ghiberti, geradezu be-
zweckten, der Nachwelt Kunde von den künstlerischen Zuständen zu
geben, ünden sich nicht. Während die italienischen Künstler schon
mit einem gewissen Selbstgefühl auftreten, blieben die französischen
noch längere Zeit in ihrer bescheidenen, handwerklichen Stellung.
Selbst die ausgezeichneteren unter ihnen übernahmen fortwährend
die Lieferung von Wappen- und Fahnenmalereien und ähnlichen rein
decorativen Arbeiten. Unsere Nachrichten bestehen daher nur in
vereinzelten Notizen, welche sich theils in öffentlichen Urkunden, be-
sonders in den Rechnungen der städtischen oder fürstlichen Kassen-
beamten, theils aber in den poetischen oder prosaischen Werken der
Schriftsteller vorfinden. Beide Klassen von Nachrichten haben nur
einen relativen, gewissermaassen einen entgegengesetzten Werth. Die
archivalischen Notizen haben den Vorzug der Genauigkeit und Ob-
jectivität; sie geben zahlreiche Namen und bestimmte chronologische
Daten, aber keinen Maassstab für den Werth und die Bedeutung der
Leistungen. Selbst die Rechnungen des königlichen Haushaltes, welche
de Laborde mit so grossem Fleisse und mit der ausgesprochenen Ab-
sicht durchforscht hat, den günstigen Einfluss des Hofes auf die Kunst
nachzuweisen, gewähren kein erhebliches Resultat. Wir erfahren dar-
aus allerdings, dass es stets angestellte königliche Maler gab und
dass ausserdem andre mit einzelnen Aufträgen bedacht wurden. Aber
diese Aufträge sind zum Theil rein handwerkliche und selbst. in den
seltenen Fällen, wo wirklich künstlerische Aufgaben genannt sind,
wie etwa die Herstellung eines Altarbildes, wissen wir nicht, mit wel-
chem Erfolge und in welchem Geiste sie ausgeführt wurden. Ebenso
verhält es sich dann mit den städtischen Rechnungen 1).
Diese Lücke wird dann einigerm-aassen durch die Aeusserungen
der Schriftsteller ausgefüllt, indem diese meistens beabsichtigen, das
Bedeutende herauszuheben und Kunstwerke zu loben. Leider aber
besitzen wir nur eine kleine Zahl solcher schriftstellerischen Aeusse-
1) Vgl. die Auszüge aus den städtischen Rechnungen von Tours in der bereits
oben angeführten kleinen Schrift von Grandmaison, p. 15. 16. Im Jahre 1472 wird
ein gewisser Pierre Andre, welcher den sonderbaren Titel als Saalpförtner und
Maler der Herzogin von Orleans (huissier de salle et peintre) für ein grosses, mit
Gold und Azur gemaltes Altarbild der Geburt der Jungfrau, das in der Kapelle
ihres Schlosses aufgestellt werden sollte, mit 110 Livres bezahlt. Im Jahre 1479
führt Alart Folarton im Stadthause neben der rein decorativen Stubenmalerei auch
die Darstellung der Verkündigung über dem Kamine aus.