Angebliche Gemälde König Renäs.
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ist das bedeutendste ein Flügelbild mit fast lebensgrossen Figuren,
früher in der Carmeliterkirche, jetzt in der Kathedrale zu Aixl).
Der Gegenstand der Mitteltafel ist der brennende Busch des Moses,
ein bekanntes Symbol der Jungfrau Maria, hier überdies noch durch
ausdrückliche Beischrift als solches erklärt. Der von kleinen Flammen
umgebene Busch (weisser Rosen) steht in der Mitte auf einem Hügel
und trägt statt des alttestanientarischen Jehova die sitzende Gestalt
der Jungfrau, welche auf ihrem Schoosse das nackte Christkind
hält. Im Vordergrunde sieht man Moses bei seiner Schafheerde, der
sein Auge vor dem Glanze des feurigen Busches mit der Hand schützt
und zugleich, der Aufforderung des vor ihm stehenden Engels ent-
sprechend, seine Schuhe auszieht. Dies Bild-ist dann von einer Art
gothischen Portals mit iiachem Bogen umgeben, das, mit Baldachinen
versehen, in den Goldgrund mit leichten Tönen gezeichnet, gewisse
auf die Jungfrau bezügliche Gestalten enthält. Darüber ein gerades
Gesims, in dessen Kehle Gott Vater segnend und von Engeln begleitet
angebracht ist. Auf den beiden Flügeln sind der König Reue, schon
greisenhaft, und seine zweite Gemahlin J ohanna von Laval, mit der er
sich 1454 vermählte, dargestellt, beide knieend und von je drei Schutz-
heiligen begleitet. Auf den Aussenseiten die Verkündigung, beide
Gestalten grau in grau und in sehr ruhiger, statuarischer Haltung.
Das Bild ist in einem bräunlich tiefen Tone und entschieden in flan-
drischer Technik ausgeführt; man kann daher, zumal der König auf
dem Bilde selbst schon bejahrt, etwa sechzigjährig, erscheint, wohl
daran denken, dass es mehr von einem geschickten ilandrischen Ge-
hülfen als von ihm selbst ausgeführt sei. Eine ausreichende Ueber-
einstimmung mit einem der uns bekannten grösseren Meister ist in-
dessen nicht zu entdecken.
Nicht minder interessant ist das ebenfalls diesem königlichen
Dilettanten zugeschriebene, jetzt in dem Anmeldezimmer des Hospitals
zu Villeneuve bei Avignon aufgestellte Altarblatt (5 Fuss 6 Zoll Höhe
bei 7 Fuss Breite). Die Darstellung ist sehr figurenreich und com-
plicirt. Die' obere, grössere Hälfte des Bildes zeigt nämlich die Krö-
nung der Jungfrau durch die Dreieinigkeit in Gegenwart der l1imm-
lischen Schaaren. Die untere Hälfte enthält in sehr kleiner Dimension
theils irdische, theils unterirdische Vorgänge. Man sieht zunächst die
Erde und das Meer; ein paar Städte, in denen die Menschen Ge-
1) Abbildungen bei Agincourt, Peinture, tab. 166, bei Alex. Lenoir, Monuments
und in dem ebenerwähnten Werke von Hawke. [VgL auch A. Lecoy de 1a Marche:
Le roi Renä, sa vie etc., 2 vols. Paris 1875.] .
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