König Renä von Anjou.
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nalen Charakter und der überlieferten Sitte zusammenhängenden Vor-
tragsweise noch nicht trennen, bei Darstellungen aus der römischen
Geschichte schloss man sich leicht an die wiederbelebte Antike an.
Allmälig näherte sich dieser Kunstzweig seinem Erlöschen. Schon
in der zweiten Hälfte der Regierung Franz I., als die italienischen
Künstler den Ton angaben und die Ausstattung der Schlösser mit
Wand- und Deckengemälden ehrenvollere und lohnendere Aufgaben
bot, trat eine bedeutende Verminderung der Miniaturen ein. Die
talentvolleren Künstler wandten sich nun durchweg der Malerei grossen
Styls zu und überliessen die kleinlichere Arbeit schwächeren Händen.
Dies hatte dann wieder die Folge, dass diese sonst so beliebte Gattung
weniger begehrt, und durch gedruckte, mit Kupferstichen versehene
Bücher ersetzt wurde. Freilich kam es dann auch wohl später noch
vor, dass grosse Herren sich diesen früher so hoch geschätzten Luxus
verschaffen wollten und Künstler suchten und fanden, die sich der
ungewohnten Arbeit unterzogen. Allein das waren dann Ausnahmen
ohne allgemeinere Wirkung und Bedeutung.
Während uns für die Geschichte der Miniaturen ein reiches Ma-
terial zu Gebote stand, haben wir für die der höheren Malerei den
hlangel an Denkmälern und selbst an charakteristischen Nachrichten
Zu beklagen 1). Wahrscheinlich hatte hier die iiandrische Schule,
wenigstens anfangs, um die Mitte und im dritten Viertel des fünf-
zehnten Jahrhunderts einen stärkeren Einfluss, als auf die Miniatur-
malerei. Dafür sprechen wenigstens die Gemälde, welche man mit
grösserem oder geringerem Rechte dem bekannten König Rene von
Anjou (geb. 1408, T 1480) zuschreibt. Zuerst Herzog von Bar und
Lothringen und als solcher von 1431 bis 1438 als Gefangener Philipps
Mdes Guten in Dijon lebend, erbte er von seinem Bruder Ludwig (1- 1434)
die Ansprüche an die Krone von Neapel, begab sich daher sogleich
nach seiner Befreiung in sein neues Königreich, kämpfte hier _einige
Jahre mit Muth und zum Theil mit Erfolg gegen seinen Gegner,
Alfons von Arragonien, war dann aber 1442 zur Flucht genöthigt
und lebte nun, da. ihm die Mittel zur Durchführung seiner königlichen
Ansprüche fehlten, ruhig in der Provence, wo er sich seinem Hange
für Poesie und Kunst ungestört hingeben konnte. Es ist, wenn auch
nicht vollständig erwiesen, doch ziemlich wahrscheinlich, dass er selbst
1) In der Kathedrale zu Albi ein merkwürdiges Wandgemälde des jüngsten
Gerichts vom Anfang des 15. Jahrhunderts, Stiftung des Cardinals Jofredi.
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