Miniaturen des
Jahrhunderts.
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Blüthe der Buchdruckerei, des Holzschnittes und Kupferstiches. Eine
Zeit lang schienen sich diese Elemente zu verbinden und jenem fran-
zösischen Miniaturenstyle untßfluordnßn- Antoine Verard, Bucl1-
drucker, Holzschneider und Kupferstecher und zugleich von 1485 bis
1512 einer der thätigsten Verleger von Paris, veranstaltete mehr als
25 Ausgaben von Gebetbüchern, welche, obgleich gedruckt, Bilder,
zum Theil zwar nur colorirte Holzschnitte oder Stiche, zum Theil
aber auch wirkliche Miniaturen enthielten 1). Ja, es scheint, dass er
selbst Miniaturmaler wari). Jedenfalls gehörte aber die Miniatur-
malerei noch lange zu dem Luxus der Grossen und des Hofes. Franz I.
hatte unter seinen Varlets de chambre auch einen Robinet Testart,
der ausdrücklich als enlumineur bezeichnet ist und mithin nur Minia-
turen malte; Barthelemy Guetty, der spätere Hofmaler desselben
Königs, erhält 1533 eine Zahlung für ein Paar Gebetbücher mit
mehreren Historien3), und Marcial Gallant, wiederum nur als „illu-
myneur" bezeichnet, wird sogar noch 1556 unter Heinrich II. für
das Ausmalen von Gebetbüchern bezah1t4). Seit dem Anfange der
Regierung Franz I., nachdem Leonardo da Vinci und Andrea del
Sarto in Frankreich gewesen waren und die Neigung für italienische
Kunst immer allgemeiner wurde, machte sich der Einfluss derselben
auch auf die Miniaturmalerei geltend. Wir besitzen ein eigenthüm-
liches Werk, eine Art Commentar zu Cäsars gallischem Kriege, von
einem unbekannten Verfasser, aber ohne Zweifel für Franz I. und
zwar, wie die in den Miniaturen wiederholt vorkommende Jahreszahl
1519 ergiebt, im Anfange seiner Regierung verfasst. Es besteht aus
drei Octavbänden, die aber von einander getrennt sind, indem sich
der eine Band im britischen Museum, der zweite in der grossen
Bibliothek zu Paris (Nr. 13,429 der dritte endlich im Besitze des
Herzogs von Aumale befindet. Jeder Band beginnt mit der Fiction,
1) Passavant: Peintre graveur I. 161.
2) Der Rechnungsauszug von 1496, welchen de Laborde: Renaissance p. 275
publicirt, ergiebt, dass er eine bedeutende Zahlung für verschiedene Bücher (einen
Tristan, einen Boethius und ein Gebetbuch) erhielt, bei welcher das Pergament,
die Malereien und Verzierungen, der Einband und endlich seine Reisen besonders
berechnet werden. Dass er jene Historien selbst gemalt, ist aber darin keines-
wegs ausgedrückt; es ist Sehr denkbar, dass er dabei bloss als Unternehmer ge-
handelt.
3) De Laborde a. a. O. p. 196 u. 750: „pour une paire (Pheures historiees de
plusieurs histoires, faites de bonne couleur.
4) De Laborde a. a. O. p. 305. Ein für Heinrich II. ausgeführtes Gebetbuch,
früher in der grossen Bibliothek von Paris Nr. 1409 fonds latin, jetzt im hluseum
des Louvre.