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des
Französische Malerei
Jahrhunderts.
metrisch gestellten Blättern, zum Theil sind sie freier und lebendiger.
Aber die Genauigkeit der Nachbildung und die Pracht der Farben
sind unvergleichlich und machen das Buch zu einem Gegenstande der
Bewunderung aller Beschauer. Nach unseren Begriffen kann diese
Farbenpracht in einem Gebetbuche bedenklich erscheinen, aber jeden-
falls war es in dieser Ausführung ein königlicher Luxus. Den Namen
des Malers, der dieses Prachtwerk lieferte, keimen wir nicht. Zwar
finden wir in den Rechnungen des königlichen Haushaltes, dass im
Jahre 1497 der Maler Jehan Poyet zu Tours eine ziemlich bedeu-
tende Zahlung für ein für Anna von Bretagne mit 23 grossen Histo-
rien und 271 Vignetten ausgestattetes Gebetbuch empfingl). Allein
dasselbe wird als kleines Gebetbuch bezeichnet (unes petites heures)
und kann daher nicht wohl mit dem stattlichen Folianten, von dem
wir jetzt sprachen, identisch sein. Jean Poyet, obgleich er in dieser
Rechnungsnotiz nur als enlumineur et historieur bezeichnet ist, war
übrigens, wie wir nachher sehen werden, ein angesehener Maler, von
Manchen selbst Foucquet vorgezogen.
Sehr ähnlich, besonders im Styl der historischen Bilder ist ein
in der grossen Bibliothek befindliches kleineres, aber sehr reich aus--
geführtes Gebetbuch (alte Nummer 651. Suppl. lat.), welches, wie
man aus den am Schlusse angebrachten Wappen vermuthen darf,
jenem schon erwähnten Rene II. (j 1508), dem Enkel und Erben des
Prätendenten von Neapel gehörteä). Ich erwähne es hauptsächlich
wegen der Randverzierungen, welche zwar in der Regel wie in dem
Codex der Anna von Bretagne aus goldenen oder einfarbigen Leisten
mit der Imitation darauf liegender schattenwerfender Gegenstände
bestehen, zum Theil aber sich augenscheinlich an antike Form und
an den Geschmack der italienischen Renaissance anschliessen. Sie
sind kandelaberartig, enthalten Genien, Sirenen und ähnliche antike
Gebilde und geben die dargestellten Dinge, unter denen neben Früchten
und Blumen auch Perlen und Edelsteine vorkommen, in symmetrischer
Anordnung. Auch in der Architektur sind italienische Anklänge
häufig, während die historischen Darstellungen ganz der französischen
Kunst angehören.
Die Vorliebe für die Miniaturmalerei und mit ihr der in der-
selben ausgebildete saubere und elegante Styl erhielt sich noch eine
Weile und verminderte sich erst im Laufe des 16. Jahrhunderts
durch den Einfluss der Renaissance, verbunden mit der wachsenden
L
1) De Laborde, Renaissance etc.
2) Vgl. Waagen a. a. O. S. 385.
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