Miniaturen ohne Foucquefs Einfluss.
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von ungewöhnlicher Grösse, die ganze Seite füllend, meistens sehr
anmuthige Landschaften. Darauf dann die grosse Zahl von Bildern
mit den Hergängen der evangelischen Geschichte und Legende oder
1nit heiligen Gestalten. Der Ausdruck der Hauptgestalten ist oft
schwach und weichlich, der Charakter des Weiblichen und Süssen
allzu überwiegend. Auch die Zeichnung ist weder sehr correct noch
sehr wirkungsvoll; der Christuskörper am Kreuze ist dürftig und
mager, die Bewegungen sind oft steif oder matt. Aber die Köpfe
sind in der Regel fein gezeichnet und anmuthig, die Augen ausdrucks-
voll. Ueberhaupt sind die einfachen und zarten Scenen, die Ver-
kündigung, die Visitation, dann späterhin die h. Anna mit der gar
züchtig vor ihr stehenden kleinen Maria am besten gelungen. Bei
den grösseren, figurenreichen historischen Hergängen scheint es durch-
weg mehr auf die Gesammtwirkung, gewissermaassen auf das Musi-
kalische des Momentes, als auf die Durchbildung der einzelnen Ge-
stalten und den Ausdruck ihrer verschiedenen Affecte abgesehen.
Besonders stark ist diese Schule (denn auch hier haben offenbar
mehrere Hände gearbeitet) in der Beleuchtung. Sie liebt ein ge-
brochenes Licht und weiss demselben verschiedenen Ausdruck abzu-
gewinnen. So macht auf der Kreuzigung die hereinbrechende Fin-
sterniss und das Hervortreten des durch einzelne goldene Punkte
angedeuteten Sternenlichtes einen schauerlichen Eindruck, während
bei der Anbetung der Hirten das nur durch die Laterne des Joseph
gemilderte nächtliche Dunkel wohlthatig anheimelnd wirkt und das
heilige Geheimniss, dass der Heiland in die Welt gekommen, uns
gleichsam zuiiüstert. Bei der Flucht nach Aegypten giebt die auf-
gehende Sonne eine hoffnungsvolle, bei dem Bilde der h. Magdalena,
welche noch im vollen Schmucke ihres weltlichen Lebens mit dicken
Thränen ihre Sünden beweint, der rothgefärbte Abendhimmel eine
wehmüthige Stimmung. Bei der h. Margaretha ist dem Maler die
Schlange zur Hauptsache geworden, er hat sie mit der höchsten
Pracht der Farbe, deren er fähig war, ausgestattet. Neben den
heiligen Geschichten und Gestalten verdienen dann die Randverzie-
rungen besondere Erwähnung. Sie sind von der oben beschriebenen
Art, in viereckigen Streifen bestehend, welche zuweilen die Schrift
ganz umrahmen, meistens aber nur den äussern Rand bedecken und
durchweg auf glänzendem Goldgrunde Blumen und Früchte, jene so-
gar oft mit ihren lateinischen oder französischen Namen, und dabei
Würmer; Schmetterlinge und andere Insekten, genau der Natur nach-
gebildet und Schatten werfend enthalten. Zum Theil ist ihre Zeicl1-
nung steif, „Chevre fueil" ist ein gerader trockener Stock mit sym-