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Französische Malerei
des
Jahrhunderts.
aber auch mehrere Male das Bildniss des Bestellers oder sein Wappen
in prachtvoller Ausführung vorkommen. Bei dem officium mortuorum
liegt der Herr von Laval selbst im Panzer und Wappenrock auf
dem Sarkophage, mit französischer Inschrift, die seine Titel aufzählt,
während er wiederum, aber nun nackend und bloss, daneben kniet,
und dem auf dem gegenüberstehenden Blatte dargestellten Weltrichter
sein miserere zuruft. Das Bildniss Christi hat den breiten, etwas
starren Typus der flandrischen Schule, das Madonnenbild ist zarter
als dort, sehr anmuthig und milde. Das landschaftliche Element ist
auch hier sehr ausgebildet, obgleich die Bäume noch steif sind. Die
Architektur ist spätgothisch, oft mit Einmischung von Formen, welche
schon den Uebergang in die Renaissance andeuten, mit runden Bögen,
breiten, an die Antike erinnernden Kapitälen, Nischen in Muschelform.
Die Zeichnung ist keineswegs geistvoll, aber glatt und elegant. Gold
ist mit Verschwendung angebracht, sowohl in den Einrahmungen der
Schrift, als in den Historien, wo es die Lichter auf Gewändern und
in der Landschaft bildet. Die Initialen sind wenig bedeutend, etwa
in Gold auf blauem oder rothem Grunde gezeichnet. Freie Arabes-
ken kommen nicht vor, sondern alles ist eingerahmt.
Das reichste und schönste Denkmal dieser Schule ist dann
endlich das Gebetbuch der Königin Anna von Bretagne, welches bald
nach ihrer Vermählung mit Ludwig XII. (1498) entstanden sein muss 1).
Das Format ist klein Folio, die Bilder, welche die ganze Seite füllen,
haben eine Höhe von etwa 12, eine Breite von etwa 8 Zoll. Ganz
vorn, gleichsam als Titelblatt, zwei ein Ganzes bildende, auf die
gleichzeitig aufgeschlagenen Blattseiten gemalte Bilder; auf dem einen
Blatte am Fusse des Kreuzes Maria mit der Christusleiche nebst den
treuen Anhängern des Herrn, welche durch roth geweinte Augen und
etwas theatralische klagende Geberden ihren Schmerz aussprechen;
auf dem andern die Königin Anna an ihrem Betstuhle knieend und
zu dem Kreuze hingewendet, begleitet von drei weiblichen Schutz-
heiligen. Sie ist in reicher Kleidung, ein vortreffliches Porträt 1nit
angenehmen, sehr individuellen Zügen 2). Dann die 12 Monatsbilder
1) Früher in der grossen Bibliothek, dann in dem von Napoleon III. gestifteten
Musee des Souverains im Louvre. Beschreibungen des Buches u. A. bei Waagen,
u. K. III. p. 377 und bei Labarte a. a. O. p. 300. Nachbildungen in Farben-
druck enthält das 1861 bei Curmer in Paris erschienene Werk: Le livre d'heures
de 1a Reine Anne de Bretagne, traduit du latin et accompagne de notes inedites
par M. PAbbe Delaunay.
2) Eine gelungene Nachbildung in Dibdin, A bibliographical tour in France
811d Germany. London 1821.