Foucquetw Einfluss.
ohne
Miniaturen
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Sehr viel besser ist dann ein in der Hofbibliothek zu Wien bewahr-
ter Codex, der den allegorischen Roman des bekannten Königs Rene:
Le roman de la tres douce mercy au coeur d'amour epris enthält.
„Douce mercy" ist eine Dame, „Coeur" ein Ritter, der jene aus
allerlei allegorischen "Fahrlichkeiten (Soulcy, Courroux u. s. w.) befreit,
und das Ganze wird als eine Vision oder ein Traum dargestellt, in
welchem der königliche Dichter sein eigenes Schicksal erfährt oder
beklagt. Nur 16 der für Bilder bestimmten Stellen sind benützt,
die übrigen leer geblieben. Die Ausführung lässt zwei verschiedene,
aber immerhin sehr geschickte Hände vermuthen, nähert sich in der
Behandlung des Landschaftlichen und in der Lichtwirkung der iian-
drischen, lässt aber doch vermöge der milderen Farbe und der sanften
harmonischen Haltung die französische Schule erkennen. Auf dem
ersten Bilde sieht man den König im Bett und vor ihm Amor, der
zwar geiiügelt, Köcher und Bogen in der Hand, aber übrigens in
eleganter, jugendlicher Tracht, mit blauem Kleide und rothen Hosen,
das Herz des Schlafenden in der Hand hält und von einem Knappen
in weissem, mit Flammen geschmücktem Kleide begleitet ist, den er
als „vif desir" von nun an dem Dienste des edlen Ritters überweist.
Die ganze Scene ist durch den Reflex eines unter einer-Bank stehenden
Nachtlichtes sehr anmuthig beleuchtet. Auf den folgenden Bildern
werden dann die einzelnen Abenteuer des Ritters Coeur geschildert.
Die Figuren sind gut gezeichnet und zierlich, aber nicht gerade sehr
ausdrucksvoll, dagegen ist das Landschaftliche der romantischen
Scenen sehr gelungen. Nächtliche Hergange bei gestirntem Himmel,
Sonnenaufgang und der noch von der eben untergegangenen Sonne
beleuchtete Abendhimmel, beide mit Gold erhöht, Gegenden mit wal-
digem Hintergründe, mit Wiesengrün und nahestehenden Baumen,
welche Naturstudien erkennen lassen, Flüsse mit Brücken u. s. f,
wechseln ab und sind gleich anziehend. Nur die offene See, welche
ein Mal vorkommt, ist zu bewegungslos.
Ein sehr kostbarer Codex dieses Styls ist dann das lateinische
Gebetbuch (Nr. 920 M. lat. der grossen Bibliothek zu Paris), welches
Louis de Lava], grand maitre des eaux et forets unter Ludwig XL,
etwa um 1480 für sich malen liess, aber bei seinem Tode, wie eine
Inschrift des schon genannten Robertet uns belehrt, der Tochter
Ludwigs XL, (Anna von Frankreich, vermachte. Der Bilderschmuck
ist sehr bedeutend; dem Kalender gehen gleichsam als malerische
Einleitung fünf Bilder der Schöpfungsgeschichte voraus, später folgen
dann alle die zahlreichen, in diesen Büchern üblichen Darstellungen,
zwischen denen wiederholt Brustbilder Christi und der Madonna, dann