Gemälde Foucquet's.
Muthmaassliche
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Gattin erwählt und stattete sie mit reichen Geschenken aus. Unter
Anderem stiftete er in einer Kapelle ein aus zwei Tafeln bestehendes
Gemälde, das auf der einen ihn selbst, begleitet von St. Stephan,
seinem Schutzpatron, auf der andern die Jungfrau mit dem Kinde
und zwar mit entblösster Brust, also etwa im Begriffe, das Kind zu
nähren, darstellte. Das Bild wurde, wie wir von Schriftstellern des
17. und 18. Jahrhunderts erfahren, als eine Sehenswürdigkeit be-
trachtet; man wusste, dass Estienne Chevalier der Geliebten seines
Herrn, der schönen Agnes Sorel, nahe gestanden hatte und von ihr
zum Testamentsexecutor ernannt war, und folgerte daraus, dass er
nach dem frühen Tode dieser seiner Gönnerin die Züge derselben
dem Madonnenbilde zum Grunde legen lassen. Dies wurde zu so
fester Tradition, dass man Oopieen dieser Madonna sowohl mit dem
Kinde, als auch unter Fortlassung desselben anfertigte, welche den
Sammlern historischer Porträts als Porträts der Agnes Sorel erwünscht
waren. Jetzt ist das Doppelbild aus der Kirche zu Melun verschwun-
den, während zwei Tafeln gleichen Inhalts wie jene an verschiedenen
Stellen zum Vorschein gekommen sind. Die eine mit der Gestalt"
des Stifters und seines Schutzpatrons ist glücklicherweise in die
Hände des Besitzers jener schönen Miniaturen aus dem Gebetbuche
Foucquets, des Herrn Brentano zu Frankfurt, die andere mit der
Madonna in das Museum zu Antwerpen gelangt. Beide stimmen in-
dessen nicht genau überein; das Madonnenbild hat einen bleicheren
Farbenton und scheint überhaupt die Arbeit eines Copisten 1), während
der in Frankfurt befindliche Flügel eine grössere Verwandtschaft mit
der Malweise der Miniaturen und ein kräftigeres, wärmeres Colorit
zeigt. Dass er einen sehr bedeutenden Eindruck mache, lässt sich
indessen auch von diesem nicht sagen. Die Haltung der Gestalten
ist einfach und nicht unwürdig, die Züge sind charakteristisch, aber
in Einzelheiten wird die Behandlung kleinlich und das Ganze hat
keineswegs die Lebensfülle, an die wir durch die rlandrische Schule
gewöhnt sindi). Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass
dies Bild, wie die anderen unserm Meister zugeschriebenen Tafelbilder
in Tempera und nur in gewissen Lasuren mit einem Oel- oder Harz-
1) Nach Waagen im Kunstblatt 1856 a. a. 0. soll es auch kleinere Dimensionen
haben. [VgL hierüber auch Vallet de Viriville in der Revue de Paris, t. XXXVIII
und J. Renouvier, Jehan de Paris, p. 31.]
2) [Bei der immerhin stilvollen und originellen Behandlung des Ganzen dürfte
es doch wohl erlaubt sein, das Bild einem Meister zuzuschreiben und zwar eben
Foucquet, da ja Schnaase selbst zugiebt, dass es grosse Verwandtschaft mit den
Miniaturen zeige]