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Französische Malerei des
Jahrhunderts.
laubniss zur Rückkehr in die Heimath ertheilt. Die Anordnung der
Volksmassen ist durchaus klar, der Ausdruck der Köpfe passend.
Die Halle, unter welcher der königliche Thron steht, ruht auf vier
Säulen römischer Ordnung; das Thor, durch welches das Volk ab-
zieht, erinnert an einen antiken Triumphbogen. Der Maler scheint
also eine gewisse Kenntniss der antiken Architektur gehabt zu haben,
aber er giebt dem Tempel zu Jerusalem die Gestalt einer reichen
gothischen Kirche mit feinster Ausführung des Details.
Noch bedeutender als dieses Werk war denn ein zweites, welches
Foucquet wahrscheinlich etwas früher ausführte, ein Gebetbuch, das
zwar durch die kleinliche Speculation eines früheren Besitzers aus-
einandergetrennt ist und also als Ganzes nicht mehr besteht, aber
doch in seinen wichtigsten Bestandtheilen, in einer grossen, vielleicht
vollständigen Zahl der Miniaturen erhalten ist. Vierzig derselben
sind im Besitze des Herrn Ludwig Brentano zu Frankfurt afM. ver-
einigt und nur zwei sind vereinzelt, die eine (früher in der Sammlung
des Dichters Rogers) bei Lady Springle in London, eine andere bei
dem Baron Feuillet de Conches _in Paris l). Die Blätter lassen die
Geschichte des Buches deutlich erkennen. Ihre Verwandtschaft mit
den Bildern in jenem J osephus beweist, dass sie von Foucquets Hand
herrühren, während der auf vielen derselben entweder ganz ausge-
schriebene oder als Chiffre auf Wappenschildern vorkommende Name
des Maistre Estienneßhevalier ergiebt, dass das Buch die Be-
stellung eines historisch bekannten, höchst angesehenen Mannes war.
Er erwarb sich nämlich das Vertrauen und die Gunst nicht bloss
Karls VIL, sondern auch seiner Geliebten, der schönen Agnes Sorel;
jener übertrug ihm die wichtigsten Aemter, namentlich das des Schatz-
meisters (1451), diese ernannte ihn zu ihrem Testamentsexecutor. Ja,
er hatte. endlich das Glück, dass selbst der misstrauische Ludwig XI.
ihm nicht blos seine Aemter liess, sondern ihn auch zu wichtigen
Sendungen brauchte Die Zeit der "Entstehung des Buches steht
nicht fest, indessen vermuthet man, dass sie dem Tode Karls VII.
(1461) vorhergegangen sei, weil bei der Anbetung der Könige der
vor dem Christkiude knieende die Züge dieses Königs trägt. Die
Miniaturen sind etwas kleiner, als die aus der Geschichte des Jo-
sephus, aber noch sorgsamer ausgeführt, und gehören zu dem Schönsten,
1) Die Brentandschen Miniaturen sind in Photographien durch Schäfer in Frank-
furt publicirt. Eine Publicatiou sämmtlicher Bilder in Farbendrucken (Les heures
de Maistre Etienne Chevalier) ist durch die Pariser Verlagshandlung Curmer im
Jahre 1865 begonnen.
2) Vgl. besonders de Laborde, Renaissance, V0]. II. p. 701-719.