und
französischen
Unterschied zwischen
Miniaturen.
niederländischen
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tische Sorgfalt getreten, welche diesen Luxus häuft und betont. Die
Farbe ist heiter, harmonisch, anmuthig, aber nicht von seelenvoller
Tiefe, oft an das Kalte und Bunte streifend. Gold und Silber, mit
Pinselstrichen aufgetragen, sind viel, fast bis zur Verschwendung ge-
braucht, und zwar nicht nur als natürlicher Stoff, an Weilen, bro-
katenen Kleidern, Geräthen, sondern auch schlechtweg als Licht, an
den Gewändern, an der Architektur, selbst in der Landschaft, am
Himmel oder an sonnenbeschienenen Bergen. Auf die Darstellung
verschiedener Lichteffecte ist grosse Sorgfalt verwendet; Abend- und
Morgenroth, Mondschein, Flammen- und Kerzenlicht sind meistens
sehr lebendig und anziehend ausgeführU).
Die edelste und höchste Leistung dieser Schule ist noch immer
die Miniaturlnalerei; gerade der aufkommenden Buchdruckerei gegen-
über erreichte der Luxus der lüanuscripte seine grösste Höhe, An-
dachtsbücher und Werke der höheren Unterhaltung, Gedichte, Alle-
gorien wurden mit derselben Pracht wie früher, aber in veränderter
Weise ausgestattet. Die Zeichnung der Initialen, welche früher ganze
Seiten mit kühnen Federzügen füllte, ist jetzt weniger anspruchsvoll;
die Randverzierungen haben einen anderen Charakter. Das leichte
Ptankenwerlz, in dessen Zweigen an willkürlicher Stelle phantastische
oder humoristische, menschliche oder thierische Figürchen auftauchen,
kommt nur noch selten vor. Statt dessen besteht die Randverzierung
meistens in festbegrenzten, rechtwinkeligen Streifen, in denen auf
goldenem oder farbigem Grunde Blumen, Früchte, Schmetterlinge,
Iiäfer und andere Gegenstände mit meisterhafter Genauigkeit und
Zwar schattenwerfentl dargestellt sind, als ob sie körperlich darauf
lägen. In dieser Beziehung also ist an die Stelle des leichten Phan-
tasiespieles ein etwas schwerfalliger Naturalismus getreten. Wichtiger
als dieser decorative Schmuck sind dann die historischen Bilder; in
ihnen liegt die Stärke der Schule. Sie zeigen durchweg eine grosse
Leichtigkeit der Erfindung, eine ausdrucksvolle und anregende Dar-
stellungsweise und eine saubere und feste Ausführung. Eine tief-
1) Es ist nicht ohne Interesse, die Charakteristik dieser Schule bei Waagen,
u. K. III. p. 369, mit der bei de Laborde: La renaissance des arts a la
cour de France, Paris 1850, V01. I. p. 7. und bei Labarte, Hist. des arts indu-
striels, Vol. III. p. 273 zu vergleichen. Abgesehen von der nationalen Verschieden-
heit des Standpunktes, vermöge welcher den französischen Beurtheilern die Wahl
einer „reineren und edleren Natur" (de Laborde), "das Stylvolle und der reinere
Geschmack der Gewandung" (Labarte) als Vorzüge erscheinen, welche die Mangel
in gewisser Beziehung decken, stimmen alle überein und können auch unsere Zu-
stunmung erhalten.