Andachtsbücher mit Miniaturen.
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rischen Bilder, welche sonderbarerweise nur im dritten Bande ganz
farbig, im zweiten und vierten aber in Grau, jedoch mit farbigen
Gesichtern und oft mit voller Ausführung des landschaftlichen und
architektonischen Hintergrundes, gehalten sind, sind freilich nicht
Kunstwerke von grosser Tiefe der Erfindung. Aber sie sind figuren-
reich, scharf, sauber und verständlich gezeichnet. Die Bewegungen
der Ritter und der Pferde sind gewandt und richtig, die landschaft-
lichen Hintergründe und die Stadteansichten sind sehr genau und
zuweilen sehr reizend. Die Ansichten von Brügge (II. 287) und von
Paris (IV. 1) sind noch jetzt erkennbar, die von Limoges (II. 33), wo
sich das Schloss im Wasser spiegelt, sehr natürlich und anziehend.
Es sind eben Illustrationen, deren Zweck nur ist, die Anschauung,
welche der Text gewährt, zu beleben 1).
Bei weitem prächtiger als diese Miniaturen der historischen
Werke sind auch jetzt noch die der Andachtsbücher, ja es scheint,
dass mit den Fortschritten der Malerei "überhaupt sich auch hier in
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Ansprüche steigerten.
Unter den Schülern Bogens und besonders unter dem Einflüsse Mem-
ling's erreichte daher die flandrische hliniaturinalerei ihre letzte Voll-
endung. Es kamen Meister auf, welche unbeschadet der Farbenpracht
und der sauberen, harmonischen Behandlung, auf welche die erste
Generation Eyckscheir Schule hier den Ton legte, auch nach tieferer
Charakteristik strebten und ihren kleinen Bildern so viel Ausdruck,
Poesie; und Geist zu verleihen wussten, dass das Studium eines
solchen reich erfüllten Buches zu den grössten Kunstgenüssen gehört.
Zu den prachtvollsten und geistreichsten Büchern dieser Art
zählt ein Breviarium, früher imgBesitze des Pastors Fochem zu Köln,
jetzt tin deriiBodleyanischen Bibliothek zu Oxford, mit zahlreichen
Miniaturen von verschiedenen Händen, aber meistens von VOYIFGÜÄ
licher Ausführung. Die Ränder sind mit Arabesken von Vögeln,
Schmetterlingen, Käfern, Blumen und dergleichen sehr reizend und
1) Einige ähnliche Werke mit mehr oder weniger glänzenden Illustrationen
mögen in dieser Anmerkung erwähnt werden. Dahin gehören in der grossen
Bibliothek zu Paris das Turnierbuch für den Herzog von Bretagne um 1450, das
des Herrn von Gruithuyse um 1470, die Uebersetznng des Justinus für Philipp
den Guten um 1454 (Mss. fr. 8024, 8851, Hist. 102, 'Waagen, K. W. u. K. Ill.
353 H1); im britischen Museum zu London, Les chroniques d'Angleterre für König
Eduard IV. (1461-1483) mit einigen reichen Miniaturen Eyclfscher Schule (Waagen
daselbst I. 145), in der Universitatsbibliothek zu Genua eine französische Ueber-
Setzung des Quintus Curtius, Karl dem Kühnen überreicht, mit vielen, aber geistig
wenig bedeutenden Miniaturen.