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Schlusse des fünfzehnten Jahrhunderts.
Die niederländische Malerei am
sind bedeutend besser und so vorzüglich, dass man sie den Brüdern
van Eyck zuschreiben zu dürfen geglaubt hatl). Auch das Andre,
ein Breviarium in Grossoctav in der grossen Bibliothek zu Paris, hat
sich noch nicht ganz von der früheren Behandlungsweise entfernt,
die Hintergründe der meisten Bilder sind golden oder scl1achbrett-
artig, andere jedoch in zierlicher, ganz landschaftlicher Ausführung.
Aber die Figuren sind sehr lebendig und anmuthig, die Zeichnung
ist oft geistvoll, die Köpfe zeigen schon das Bestreben nach grösserer
Individualität und das Ganze verräthaeinen starken Einfluss der
Brüder van Eyck, so dass man es wohl als ein Werk ihrer Schule
bezeichnen kann 2). Die Randverzierungen bestehen zum Theil noch
im Geschmacke des vierzehnten Jahrhunderts aus leichten Zügen mit
goldenem Blattwerk und eingemischten Figürchen. Oft aber enthalten
sie schon Blumen und Früchte in grösserer, naturalistischer Ausfüh-
rung, wie sie fortan immer mehr beliebt wurden.
Sehr viel bedeutender sind dann die 17 Blätter in der kaiser-
lichen Bibliothek zu Wien, welche, begleitet von einem kurzen Texte,
die Geschichte der christlichen Könige von Jerusalem darstellen.
Sie sind, wie Wappen und Devise ergeben, für Philipp den Guten
und zwar nach der Stiftung des goldenen Vliesses (1430), jedoch vor
1447 gemalt, da sich in einem andern, in diesem Jahre geschriebenen
Codex eine Oopie aus jenem befindet. Es sind Bilder von grossem
Verdienste, welche Uebung in historischer Composition verrathen, in
schönster, landschaftlicher Ausführung und mit freier, meisterlicher
Behandlung, und man darf hier wirklich annehmen, dass ein bedeu-
tender Meister, vielleicht Roger van der Weyden, an den Vieles er-
innert, dabei mitgewirkt hatß).
1) Abbildungen bei Dibdin: Bibliographical Decameron, I. p. 138 und Remi-
niscences of a litcrary life II. p. 973. Vgl. Waagen W. K. u. K. in England II. 382.
2) Waagen a. a. O. III. 351 if. geht jedenfalls zu weit, wenn er die unmittelbare
Betheiligung beider Brüder van Eyck und ihrer Schwester Margaretha annimmt
und jedem von ihnen bestimmte Bilder zuweisen zu dürfen glaubt. Das Ganze
trägt, obgleich man verschiedene Hände unterscheiden kann, denn doch das gleiche
Gepräge gewerblicher lliiniaturarbeit. Aber unter den Mitarbeitenden sind einige
von besserer Begabung, welche durch die neuen Motive der Eyck'schen Schule
angeregt, sie mit Lebendigkeit und Begeisterung vorzutragen verstehen. Die Ent-
stehungszeit wird durch den Tod des Herzogs von Bedford (1435) begrenzt, und
die unterlassene oder unvollendete Ausführung. einiger Bilder, deren Stelle ange-
deutet ist, mag eben durch seinen Tod veranlasst sein. Waagen's Annahme der
Entstehung um d. J. 1424 gründet sich bloss darauf, dass im Kalender die Be-
rechnung der Schaltjahre mit diesem Jahre anfängt, was natürlich nicht ent-
scheidend ist.
s) Vgl. Waagen im K. B1. 1847 S. 194 und Kunstdenkmäler Wiens II. 40 E.