276
fünfzehnten Jahrhunderts.
des
Die niederländische Malerei am Schlusse
einem Sohne, dort seine Gattin mit vier Töchtern, beide Gruppen
von Schutzheiligen begleitet. Auf den geschlossenen Aussenseiten
der Flügel sieht man die Jungfrau mit dem Kinde sitzend, davor
eine Frau mit einem etwa fünfjährigen Kinde knieend. Eine all-
gemeine Verwandschaft mit Memlings Bildern war nicht Zu verkennen;
bei näherer Kenntniss der ilandrischen Schule fand man jedoch auch
Verschiedenheiten, die es bedenklich machten, ihm das Werk zuzu-
schreiben. Waagen war es, der diesen Zweifel zuerst aussprach.
Er fand hier eine andere Gefühlsweise, einen abweichenden Charakter
der Köpfe, eine andre mehr auf das Detail der Natur, auf die Ver-
schiedenheit der Baumarten und der einzelnen Blumen eingehende
Behandlung des Landschaftlichen, eine genauere Beobachtung der
Luftperspective, einen weicheren Vortrag des Pinsels. Er stellte
daher dies Werk mit einer Reihe von anderen zusammen, in denen er
dieselbe Hand zu erkennen glaubte und unter denen sich auch jene
beiden obenerwähnten Bilder, das von Rouen und das aus der Ge-
schichte des Kambyses, befanden, deren Urheber damals noch nicht
bekannt war. Diese Ansicht war so wohl begründet und so über-
zeugend, dass sie mehr und mehr die Zustimmung der Sachverstän-
digen erhieltl). Dazu kam dann, dass es dem eifrigen Forscher
James Weale gelang, die Herkunft des Bildes und die Geschichte
der stiftenden Familie zu ermitteln und durch dieselbe mit Rücksicht
auf das Alter der portratirten Kinder festzustellen, dass es erst um
das Jahr 1508, also lange nach Memlings Tode gemalt ist Für
die Urheberschaft Gerhards ist aber die grosse innere Ueberein-
stimmung des Werkes mit dem in Rouen und besonders die Wieder-
kehr des weiblichen Gesichtstypus, der auf letzterem vorherrscht,
entscheidendß).
Mit ganz gleicher Sicherheit kann man ihm zwei kleine Bilder
zuschreiben, welche beide die Madonna mit dem Kinde in reicher
Landschaft und in Gesellschaft von mehreren weiblichen Heiligen
darstellen, das eine in der Pinakothek zu lllünchen, das andre im
1) Waagen, im Kunstbl. 1847 S. 211, dehnte nach der Gewohnheit der da-
maligen Forscher seine Vermuthung auf eine zu grosse Zahl von Bildern aus und
irrte, indem er sie dem Johannes Gossaert (Mabuse) zuschrieb. Vorsichtiger waren
Crowe und Cavalcaselle bei ihrer Zustinimung S. 274 der englischen Ausgabe,
Band II. S. 52 der französischen.
2) James Weale, Oatalogue du Musee de PAcad. de Bruges, 1861 S. 64.
ß) Michicls, V01. IV. p. 149 bestreitet diese Aehnlichkeit, während er sie V01. II.
p. 357 bei Besprechung des Bildes von Rouen, dessen Autor man damals noch
nicht kannte, ausdrücklich geltend gemacht hat.