Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

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Malerei am 
Die niederländische 
Schlusse 
des fünfzehnten 
Jahrhundörts. 
Löwen hatte man mittelalterliche Sagen gewählt, hier ist es eine 
Erzählung Herodots; der König Kambyses lässt dem bestochellell 
Richter die Haiftbabziehen und mit derselben den Richterstuhl, zur War- 
nung für seine Nachfolger, bekleiden. Auf dem ersten Bilde sieht man 
die Gerichtshalle; Kambyses, von seinem Höfstaate begleitet, spricht 
mit zorniger Miene das strenge Urtheil aus, während der Richter auf 
seinem Sitze von einem Knechte ergriffen wird. Im Hintergrunds 
der offenen Halle sieht man in der Strasse die vorhergegangene Be- 
stechung: ein Mann steckt dem Richter einen Beutel. mit Geld zu. 
Das zweite Bild enthält die Vollstreckung des königlichen Urtheils. 
Der ungerechte Richter liegt nackt auf dem Tische ausgestreckt 
unter den Händen von vier Henkern, die mit ihren Messern an ihm 
arbeiten. Der König wiederum mit seinem Gefolge wohnt dem 
schauderhaften Schauspiele bei. Im Hintergründe sieht man bereits 
den Stuhl überzogen und den neuen Richter, nach Herodot den Sohn 
des bestraften, darauf sitzend. Der Maler hat sich bemüht, den Zweck 
der Abschreckung durch möglichst energische Behandlung vollkom- 
men zu erreichen. Das Colorit ist sehr viel kräftiger als auf jenem 
andern Bilde, die Gesichtszüge sind scharf und sprechend, 'die Formen 
stark accentuirt, fast hart. Der Körper des verbrecherischen Richters 
ist sehr ausgeführt und beruht auf Studien, die über hlemling hinaus- 
gehen. Das Bein ist grösstentheils von der Haut entblösst und das 
rothe Fleisch mit widerlicher Wahrheit dargestellt. Aber auch die 
ruhigeren Gestalten scheinen Porträts, und alle Einzelheiten sind mit 
einer fast kleinlichen Naturtreue geschildert. Das ist allerdings in 
Beziehung auf die höchsten Zwecke der Kunst ein zweifelhaftes Ver- 
dienst, aber es sichert diesen Bildern eine fesselnde Wirkung. Die 
französischen Commissaricn fanden sie der Aufnahme in das Napo- 
leonische Museum zu Paris würdig, und man bemerkte hier, dass 
der grosse Haufe, wie er sich zu Hinrichtungen drängt, auch vor 
diesen Bildern vorzugsweise verweilte. Bemerkenswerth ist, dass 
neben dem extremen Naturalismus sich hier die ersten leisen Spuren 
eines italienischen oder antiken Einflusses finden. An der Wand der 
Halle auf dem ersten Bilde sieht man zwei llledaillons mit anscheinend 
plastischen Darstellungen allegorischen oder mythologischen Inhalts 
und an einem Friese sind Genien angebracht, welche F ruchtschnüre 
halten 1).  _  
1) Ausserdem werden unserm Meister in alten Nachrichten einige Werke von 
geringerem Werthe zugeschrieben. S0 zwei Aquarelle in der Akademie zu Brügge, 
die Predigt Johannis" und die Taufe Christi, deren alter Rahmen auf seiner Rück-
	        
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