Dem Memling beigelegte
Werke.
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Die lange dem Memling zugeschriebenen Tafeln mit miniatur-
artigen Gemälden aus dem Leben des h. Bertin, früher auf einem
Altare im Kloster dieses Heiligen in St. Omer, jetzt im königlichen
Schlosse im Haag, gehören einem selbständigen Zeitgenossen Mem-
ling's an; sie erinnern in ihrer sorgfältigen Behandlung und im liebens-
würdigen, zarten Ausdruck an die Arbeit des Ursulakastens, sind aber
in der Zeichnung und in der Kraft der Farbe geringer"). Bedeutend
schwächer sind die ähnlich angeordneten, kleinen Bilder aus dem
Leben der h. Ursula im Hospital der schwarzen Schwestern zu Brügge 2).
Ein höchst vorzügliches flandrisches Bild war früher im Besitze
des verstorbenen Sir Charles Eastlake zu London. Es stellt die Be-
stattung eines Bischofs in einer gothischen Kirche in Gegenwart eines
eines altern, nicht mehr zusagenden Bildes bedeutet. Dies wird dadurch ausser
Zweifel gestellt, dass in einem ferneren Beschlusse vom 2. Juli 1454 erst die Ein- '
ziehung der „deniers ordonnes pour 1a fagon du tableau pour la grande chambre"
angeordnet wird (Gazette des beaux arts, V01. XXI. (1866) p. 582). Man sammelte
also zunächst an den Geldern und wird daher erst später zur Bestellung gekommen
sein. Dies schliesst Johann van Eyck aus, giebt aber keine Berechtigung, an
Roger van der Weyden (wie Wauters) oder an Dierick Bouts (wie Michiels III.
p. 285 will) als damals berühmteste Meister zu denken. Waagen (Kunstbl. 1847
S. 186 und Handbuch I.) hält das Bild für eine Jugendarbeit hlemlings. Passa-
vant (in v. Quasfs Zeitschrift II. 17) und Crowe (a. a. O. I. 187) widersprechen
dem, wie es scheint, mit vollem Rechte, eignen das Bild nun aber dem Hugo van
der Goes zu, mit dessen einzigem bekannten Gemälde (dem in S. Maria nuova zu
Florenz) es nach meiner Erinnerung nichts gemein hat. Weale (Le Beffroi Vol. III.
p. 203) will es einem französischen Maler mit i-landrischem Einduss um 1480 zu-
schreiben. Das Bild selbst verräth, besonders auch in der Landschaft, diese
spätere Zeit und gehört einem Schüler oder Nachahmer Memlings an, der sich
von ihm durch röthlichen Farbenton und minder vollkommene Zeichnung, besonders
der Hände und Füsse, unterscheidet.
1) Ausführliche Beschreibung derselben in Passavant: Kunstreise S. 387, der
sie etwas zu hoch zu stellen scheint. Vgl. Hotho, Gesch. d. deutschen und niederl.
Mal. II. S. 1,17 und Crowe a. a. O. II. 44. Zwei zu demselben Altar gehörige
Bildchen sind von dem im Haag beündlichen getrennt, und waren im Besitze eines
Herrn Beaucousin in Paris. De Laborde, Ducs de Bourgogne II. S. XLIV, hat in den
Rechnungen des Klosters gefunden, dass ein gewisser Dyrick in den Jahren 1528
und 1530 für daselbst ausgeführte Malereien bezahlt ist, allein diese Bilder müssen
bedeutend älter sein. Michiels a. a. 0. III. 378, indem er eine Inschrift mittheilt,
welche sich auf der in der Revolution eingeschmolzenen Einrahmtmg befunden
habe, entnimmt daraus das Entstehungsjahr 1455 und behauptet, dass nach einer
in den Klosterurkilnden enthaltenen Notiz ein „0uvrier de Valenciennes" diese
Arbeit ausgeführt habe, wodurch er den oben bereits ausführlich erwähnten Simon
Marmion bezeichnet glaubt.
2) Waagen, Handbuch I. 100, erklärt sie für Jugendwerke des Dierick Bouts,
was mir nicht wahrscheinlich ist.