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Die niederländische Malerei am
Schlusse des
fünfzehnten Jahrhunderts.
Bildes zu vermuthen, haben wir keinen Grund; sein Wohnort Valen-
ciennes und die Betonung seiner Qualität als Miniaturmaler sprechen
(lagegen. Aber seine Geschichte lehrt, dass selbst ein sehr verbrei-
teter Ruhm damals nicht gegen rasches Vergessen schützte, und
andere Umstände machen es wahrscheinlich, dass bei der damaligen
Blüthe der Schule und bei der noch immer fortdauernden Gleicl1-
gültigkeit der Schriftsteller gegen die Kunst oft sehr bedeutende
Meister von diesem Schicksal betroffen wurden. Blieben ihre Bilder
in Flandern, und blieben sie wenigstens bis zu den Zerstörungen in
den Religionskriegen erhalten, so konnte die Tradition über den Ur-
heber daran anknüpfen. War aber das Bild in das Ausland gegan-
gen, war der Künstler vielleicht frühe verstorben, oder selbst aus-
gewandert, so erlosch auch das Gedächtniss seines Namens sehr
bald 1). Eine umfangreiche Darstellung des jüngsten Gerichts gehört
zu den schwierigsten Aufgaben der Kunst, und man darf voraussetzen,
dass die städtischen Behörden sich bei diesem Gegenstande nur an
bewährte, rülnnlichst bekannte Künstler gewendet haben. Dennoch
finden wir dies wiederholt bei Künstlernamen, von denen wir ausser
der dürren Zahlungsnotiz in den städtischen Rechnungen keine Nach-
richt besitzen. Dies ist der Fall mit einem Meister zu Oudenaerde,
der schlechtweg als Hendric de Scildere, als Heinrich der Maler, be-
zeichnet wird und auch Fahnen und sonstige handwerkliche Malereien
für die Stadt liefert, dann aber im Jahre 1478 die Bestellung eines
grossen Gemäldes des jüngsten Gerichts für das Gerichtszimmer des
Rathhauses erhältg). Noch umfangreicher muss die Darstellung des-
selben Gegenstandes in der Schöffenkammei- zu Gent gewesen sein,
an welcher ein dortiger Meister Cornelis van der Goux oder Goes,
vielleicht ein Verwandter des Hugo van der Goes, sechs bis sieben
denen er diese Gesinnung entdeckt, zuzuschreiben. Er vergisst dabei, dass nicht
die Künstler, sondern die Besteller die Gegenstände bestimmten, und dass die
Vorliebe für schanerliche Vorstellungen auf Grabdenkmälern danaals sehr ver-
breitet war.
1) Von dem Juan (Johann) Flamenco, der zufolge der genauen und" also
ohne Zweifel aus schriftlichen Ueberlieferungen gezogenen Mittheilungen, welche
der Reisende Ponz im Kloster zu Miraflores erhielt (Ponz, Viage de Espaüß XII.
p. 55), (laselbst von 1496 bis 1499 für sehr hohen Preis arbeitete, wissen wir in
den Niederlanden, da Memling früher gestorben war, keine Spur zu finden. Eben-
so wenig von dem Golin de Cotcr, der auf einem jetzt übermalten aber doch
als altdandrisch erkennbaren Bilde in der Dorfkirche zu Vieure bei Moulins im
Bourbonnois seinen Namen mit dem Zusatze nennt: pingit me in Brabancia.
Brusselle VII. Vgl. De Laborde, Ducs de Bourgogne II. 2 Indroduction p.LI.
2) Vgl. De Laborde, Ducs de Bourgogne II. 2 p. 397.