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Schlusse des füpfzehnten Jahrhunderts.
am
Die niederländische Malerei
der Lucasbrüderschaft, deren Altarbild sein eignes Werk war, be-
stattet und von seinen Mitbürgern durch eine lange und schwülstige,
aber interessante Grabschrift geehrt. Der Verfasser derselben, ein
einheimischer Gelehrter Jean Molinet, versichert darin unter Anderm,
dass seine Malereien Kaisern, Königen, Grafen und Markgrafen Be-
wunderung und Freude verursacht hätten 1). Auch nach seinem Tode
war er ein Gegenstand des Stolzes seiner Mitbürger. Einer derselben,
Louis de la Fontaine, der noch unter König Philipp (also vor 1506)
die Geschichte von Valenciennes schrieb, zählt ihn zu den fünf grossen
Männern, deren sich diese Stadt rühmen könne und giebt eine all-
gemeine, aber glänzende Schilderung seiner Malereien 2). Jean Lemaire
in seiner früher erwähnten, um 1511 geschriebenen Couronne 1nar-
garitique stellt ihn sehr hoch, indem er ihn gleich nach Johann van
Eyck, dem "König der Maler", als „prince denluminure" aufführt
und in einer schwülstigen Phrase die Meinung ausspricht, dass sein
Ruhm noch wachsen müsse 3). In der That erhielt sich dieser Ruhm
auch noch eine Zeitlang; Molanus, der früher besprochene Gelehrte
in Löwen, erwähnt seiner beiläufig mit Beziehung auf ein dort be-
findliches Bild als eines ausgezeichneten Malers, und eine gleiche
Bezeichnung erhält er bei Guicciardini, der ihn auffallender Weise
zugleich "wahrhaft gelehrt" und "einen grossen Literaten" nennt4).
Dies wird nun wohl ein Irrthum des mehr als hundert Jahre nach
dem Tode des Meisters schreibenden Italieners sein, da selbst jene
wortreiche Grabschrift davon nichts enthält; es mag aber damit zu-
sammenhängen, dass Marmion vorzugsweise als Miniaturmaler be-
rühmt War.
Dies ergiebt das Beiwort, mit dem Lemaire ihn einführt und
scheint auch in der Grabschrift des hlolinet angedeutet, indem er
ihm zwar auch Gemälde, Kapellen, Altäre zuschreibt, aber doch diesem
bei De Laborde a.
1) Die Grabschrift ist abgedruckt
bei Michiels III. 431.
und
XXVII.
1') Vgl. die Stelle bei Michiels a. a. 0. S. 376.
3) Vgl- Mißhißls, S. 374 und Pinchart, S. COXXII. „De Marmion, prince (Pen-
luminure, Dont le nom croist comme paste en levain, Par les effects de sa. noble
tournure."
4) Molanus (bei van Even, dietsche Warande S. 36) Valascus de Lucerna dat.
hospitali Lovaniensi, inter alia, imaginem beatae Marias, opuS Magistri Simonis
Marmion, nobilissimi pictoris. 1512. Guicciardini (p. 129 und 373)? Hllomß vera-
mente dotto e pio, eccellentissimo pittore. Eccellentissimo pittore e grau
litterato.