Das Danziger Weltgericht.
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Stifter eine Bedeutung gehabt habe und desshalb hier in Erinnerung
gebracht sei. Allein ob dadurch die Vollendung des Bildes oder et-
was Anderes, etwa das Todesjahr der Person, zu deren Andenken
und Seelenheil die Stiftung gemacht wurde, angezeigt werden soll,
ist völlig ungewiss 1). Für unsern kunsthistorischen Zweck kommt
indessen wenig darauf an, da ein andrer Umstand es ausser Zweifel
setzt, dass das Bild im Jahre 1473 völlig vollendet war, und mithin
wohl schon im Jahre 1467 begonnen sein muss. Im Jahre 1473
wurde nämlich, wie jetzt mit urkundlicher Sicherheit festgestellt ist,
während eines Krieges der deutschen Hansa mit den Niederlanden auf
einem von dem tapfern Danziger Schiffer Paul Benecke gekaperten und
nach Danzig geführten SchiHe unter einer auch sonst kostbaren Ladung
auch dieses Bild gefunden und von den Rhedern auf dem Altar der
St. Georgsbrüderschaft, deren Mitglieder sie waren, in der St. Marien-
kirche aufgestellte). Hier ist es geblieben, bis es im Jahre 1807 auf
Befehl Napoleons nach Paris entführt wurde, von wo es wieder in
die Kirche gelangte. Jenes gekaperte Schiff war aus Sluys, dem
Hafenorte von Brügge ausgelaufen und seine Ladung war zwar theils
für London, theilweise aber auch für Italien bestimmt. Das bekannte
in Brügge ansässige florentinische Haus der Portinari war bei der
Verladung betheiligt und Papst Sixtus IV. schleuderte auf den An-
trag der Brüder Lorenzo und Giuliano von Medici und anderer
iiorentiner Hauser den Bannstrahl gegen den Piraten Paul Benecke.
Dass auch unser Bild zu dem für Italien bestimmten Theile der
Ladung gehörte, wird dadurch wahrscheinlich, dass das Wappen der
auf der Aussenseite der Flügel dargestellten Gemahlin des stiftenden
Ehepaares der edeln mailandischen Familie Branda Castiglione an-
zugehören scheintß).
1) Die auf dem Leichensteine sitzende weibliche Gestalt, ohne Zweifel die
darunter bestattet gewesene, eben Auferweckte, ist handeringend dargestellt, jeden-
falls also nicht als eine ihres Heils bewusste Seele. Aber ebenso wenig erscheint
sie dadurch als Verdammte, was allerdings die Pietät des Stifters nicht gestattet
haben würde. Jenes Händeringen mag daher, etwa mit Rücksicht auf einen be-
kannten Fehltritt der Verstorbenen, als ein Zeichen der Busse dem Stifter ange-
messen und heilsam erschienen sein.
i) Schon die Chronik des Schöifen Melmann (vgl. Dr. Th. Hirsch, die Ober-
pfarrkirche von St. Marien, 1843 I. 422) berichtet: 1473 do nam Pauel Benecke,
ein Schipper, von einem Holländer eine Galleyde, darin die Tafel, die auf St. Georgens-
Altar steht in der Pfarrkirche, mit grossem Gute befunden wart. Eine ausführ-
liehen; Erzählung giebt dann die erst neuerlich entdeckte Chronik Caspar Weinrichs
(herausgegeben von Hirsch und Vossberg, Berlin 1855, Beilage I. S. 92_102),
nebst den von den Herausgebern beigebrachten Erläuterungen.
ß) Das Wappen des Ehemannes scheint einer Nebenlinie oder einem unächten