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3.111
Die niederländische Malerei
fünfzehnten
des
Schlusse
Jahrhunderts.
211., Fuss die Lebensgeschichte der Jungfrau von der Verkündigung
bis zur Assumtion, mit Ausschluss der Passion und zwar alle diese
Momente in einer Landschaft vereinigt. Im Vorgrunde sehen wir
die Geburt, die Anbetung der Könige und dann, durch ein Flüsschen
davon "getrennt, die Ausgiessung des h. Geistes in etwas grösserer
Dimension und zwar jedes dieser drei Ereignisse in einem dazu ge-
eigneten Gebäude. Dahinter hebt sich dann die unter hohem Augen-
punkte gedachte Landschaft, die durch Baumgruppen, Felsen, Ströme,
Brücken getheilt ist und mit fernen Bergen oder mit von Schiffen
belebtem Meere abschliesst. Darauf sieht man in der Mitte die Stadt
Jerusalem mit manchen Vorgängen, dann das Dorf Bethlehem als
den Schauplatz des Kindermordes, ferner in Flussthälern, Schluchten,
einzelnen Gebäuden andere Momente der Heilsgeschichte, auf ver-
schiedenen Punkten den Zug der Magier auf ihrer Hin- und Rück-
reise und endlich am Horizonte die Himmelfahrt Christi und die
Assumtion der Jungfrau. Der charakteristische Ausdruck dieser un-
zähligen, nach Verhältniss der Entfernung abnehmenden Figürchen,
die geschickte Anordnung der Gruppen in den durch die natürliche
Bewegung des landschaftlichen Terrains gebildeten Räumen und zwar
mit Hinweisung auf ihren chronologischen Zusammenhang giebt dem
Ganzen einen seltenen Reiz 1).
' Gewissermaassen das Gegenstück dieses Bildes, nämlich eine ganz
ähnliche landschaftliche Zusammenstellung heiliger Geschichten, aber
gerade der dort ausgelassenen Momente, die Passion vom Einzuge
in Jerusalem bis zu der Scene in Emmmaus, besitzt das Museum zu
Turin (Nro. 358). Es ist freilich von sehr viel kleinerer Dimension
als jenes Münchener Bild, nämlich 3 F. 1 Z. br., 1 F. 11 Z. hoch,
allein die Compositionen ergänzen eine die andere so vollständig, dass
man sie für zusammengehörig halten muss, neben den Freuden die
Leiden der Maria, wobei denn diese beiden Exemplare beweisen, dass
der Meister davon verschiedene Wiederholungen gemacht hat E). [Eine
1) Abbildungen der "Freuden der Maria." in den Strixneüschen Lithographien,
dann in drei Blättern in E. Förstefs Denkmalen der Bildnerei, Band I., darnach
eine gelungene Phototypie in der deutschen Ausgabe von Crowe u. Cavalcaselle
a. a. 0. und endlich in sehr kleiner Dimension als Titelblatt in der englischen
Ausgabe von Wuageds Handbuch. [Vgl. über die Stifter und die Geschichte des
Bildes überhaupt Crowe und Cavalcaselle, ed. A. Springer S. 305 u. 306.]
2) Vasari erzählt in dem Zusatzkapitel über dandrische Meister (Bd, XML
S. 148), dass der Grossherzog von Florenz ein "Quadretto piccolo" von Meister
Hans mit der Passion Christi hesässe. Da, sich ein solches Bild jetzt in Florenz
nicht findet, so ist es sehr möglich, dass dasselbe mit dem Turiner identisch ist.