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niederländische Malexfei am Schlusse
Die
Jahrhunderts.
des fünfzehnten
Schmucke von miniaturartigen Gemälden auszustatten. Die Form
des Kastens ist die gewöhnliche, die Vertheilung der Bilder aber
die, dass auf den beiden langen Seiten in sechs Bildern dieGe-
schichte der Heiligen, die Wanderungen ihres jungfräulichen Heeres
nach Köln, Basel, Rom, ihre Rückkehr und endlich ihr Marty-
rium in verschiedenen Stadien, auf den schrägen Flächen des
Daches in sechs Medaillons ihre Apotheose, auf der einen Giebel-
Seite sie selbst mit einer Schaar knieender Jungfrauen unter ihrem
Purpurmantel, auf der andern die Jungfrau Maria mit dem Kinde
und knieenden Hospitalschwestern dargestellt ist. Die stehende
grössere Ursula und die Medaillons sind schwächer und wahrschein-
lich von einem Gehülfen ausgeführt, die Jungfrau Maria aber ist
überaus edel, im schönsten Gewandstyl, mit wunderbar feiner Modelli-
rung, und an den historischen Bildern ist die Lieblichkeit der Jung-
frauen, die feine Charakteristik der Geistlichen, die klare Anordnung
der Gruppen und die Gedankenfülle in der Menge der zusammen-
gedrängten Gestalten und endlich die vortreffliche Ausführung der
städtischen Gebäude nicht genug zu rühmen. Basel und Köln sind,
wie gesagt, augenscheinlich mit Ortskenntniss, Rom dagegen aus der
Phantasie dargestellt; indessen ist gerade dies Bild, das dritte der
Folge, durch Zartheit und Kunst der Ausführung ausgezeichnet. Der
"Zeit nach dürfte diese Arbeit etwas früher fallen, als die des grossen
Altars 1). Ausserdem ist in Brügge nur noch ein Werk vorhandeng),
das Memling zugeschrieben werden kann. Es ist ein Flügelaltar, der
jetzt in der Akademie bewahrt wird, von ziemlich bedeutenden
Dimensionen, die Figuren etwa in halber Lebensgrösse. Auf dem
Mittelbilde sieht man den hl. Christoph, der das Christkind durch den
Jordan trägt; im Vorgrunde seitwärts St. Aegidius mit seinem Rehe
und auf der andern Seite St. Benedict. Weiter hinten erheben sich
gewaltige Felsen am Flusse, auf einem derselben sieht man den Ein-
siedler mit seiner Lampe. Der Strom, eingeschlossen von den dunkeln,
schattigen Massen der Felsen, ist klar und vom Abendroth hell be-
1) Die Nachricht, welche Passavant (Kunstbl. 1843, S. 259) von einer Vor-
steherin des Hospitals erhielt, dass Memling zum Zwecke dieses Werkes zwei
Mal nach Köln gesendet worden sei und demnächst im Jahre 1486 die Arbeit aus-
geführt habe, scheint eine blosse Sage, wenigstens sind die angeblichen Urkunden,
auf denen sie beruhen soll, nicht zum Vorschein gekommen.
2) Die Bildnisse des Wilhelm Moreel, Bürgermeisters von Brügge und seiner
Frau, die sich ehemals im Hospital St. Julian zu Brügge fanden, sind, nachdem
sie lange in Privatbesitz waren, seit 1851 für das Museum zu Brüssel angekauft.
Vgl. Weale, Hans Memlinc S. 57.