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Die niederländisbhe
Malerei am Schlusse
des fünfzehnten Jahrhunderts.
Am 10. Dez. 1495 war er selbst verstorben, da die Vormünder nun-
mehr über die denselben vom Vater angefallene Erbschaft und über
den Erlös der Mobilien berichten 1). Der Todestag wird nicht an-
gegeben; man darf annehmen, dass er noch innerhalb des Jahres
1495 liegt. Auch über sein Alter wissen wir nichts Näheres. In der
Sammlung des Cardinals Grimaldi zu Venedig schrieb man ihm im
Jahre 1521, wie wir durch den Bericht des Anonymus des Morelli
wissen, zwei Porträts zu, das eine die Herzogin Isabella, Gemahlin
Philipps des Guten darstellend, angeblich 1450 gemalt, das andere
sein eignes Bild, das ihn im Alter von etwa 65 Jahren zeigte. Beide
Angaben stimmen zwar wohl mit einander, aber nicht mit den ur-
kundlichen Nachrichten überein. Da wir ihn im Jahre 1459 noch
als jungen Schüler Bogens mit geringen Arbeiten beschäftigt ünden,
ist es nicht denkbar, dass man ihm im Jahre 1450 das Porträt der
Herzogin anvertraut und dass er bei seinem Tode 1495 das fünfund-
sechszigste Jahr tiberschritten hatte.
Die Betrachtung seiner Werke beginnen wir am besten mit dem
reichen Schatze derselben, welchen das Hospital St. Johann zu Brügge
besitzt, weil sich unter ihnen die einzigen mit Namensinschrift und
Datum versehenen befinden und auch bei den andern der Umstand,
dass sie ursprünglich für dieses Hospital gemalt sind, der Tradition
über den Maler grössere Glaubhaftigkeit verleiheti).
Zuerst ist hier ein kleines Flügelbild zu nennen (22 Zoll bin,
18 Zoll hoch), das auf der Mitteltafel die Anbetung der Könige, auf
den Flügeln die Geburt Christi und die Präsentation im Tempel (Fig. 17),
auf den Aussenseiten Johannes den Täufer und die h. Veronica (Fig. 18)
enthält. Die Inschrift besagt, dass ein Mitglied der Brüderschaft Jan
Floreins alias van der Riist dies Werk machen lassen und schliesst
dann mit der Jahreszahl 1479 und den Worten: Opus Johannis
Memling. Das kleine Bild hat nicht die Kraft der Farbe, die wir
auf, anderen Bildern des Meisters finden, es ist leichter und in
bleicherem Tone gemalt, aber überaus lieblich und voller Anmuth;
man möchte sagen, dass es einen jugendlichen Reiz hat. Die Dar-
bringung im Tempel erinnert stark an die Composition Rogers
1) Alle diese Nachrichten beruhen auf den archivalischen Forschungen von
Weale. Vor denselben hatte man nur die von Garten, Les trois freres van Eyck
S. 99 publicirte Notiz, dass im Jahre 1499 (in den Rechnungen der Buchhändler-
innung) von ihm als einem Verstorbenen gesprochen wird.
2) Vgl. darüber Passavant, Kunstreise S. 240 5., 11161118 Niederländischen
Briefe S. 349 ff. und TVaagen im Kunstblatt 1854 S. 176 ff.