Künstlerische Eigenart des Meisters.
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innigeren Verschmelzung. Er weiss dies zu benutzen, um eine dem
Gegenstande entsprechende Stimmung hervorzubringen. Daher die
grosse Verschiedenheit seiner Bilder; wie ganz anders wirkt das ruhige
Licht des geschlossenen Innenraumes auf dem Abendmahl, das Dämmer-
licht auf jener von schwachem Monde beschienenen Gefangennehmung,
gegenüber dem grellen Tageslichte, in welchem er jene schreienden
legendarischen liiergänge im Rathhaussaale darstellte. Dies alles
wirkte dann ganz besonders auf die Landschaft. Molanus, der Ge-
lehrte aus Löwen, von dessen Aufzeichnungen wir schon gesprochen
haben, rühmt unsern Dierick geradezu als Erfinder der Landschafts-
malerei (Claruit inventor in describendo rure). Das ist nun freilich
zu viel gesagt; die Eycläs hatten entschieden den ersten Anfang ge-
macht. Aber es ist richtig, dass er ihr eine höhere Bedeutung gab.
Indem er auf die Häufung reizender Einzelheiten, auf die über das
natürliche Maass gesteigerte Klarheit der Ferne, wie sie noch Roger
geliebt hatte, verzichtete, und statt dessen die Wirkungen der Luft-
perspective besser beobachtete und weichere Uebergänge hervorbrachte,
wurde bei ihm die Landschaft wirklich ein Ganzes und konnte eine
dem Gegenstande entsprechende Stimmung erwecken. Mehrere der
Landschaften auf den Flügelbilrlern des Abendmahlaltares geben da-
von den rollen BGWGlS. Es scheint, und eine glaubhaft überlieferte
Nachricht bestätigt es, dass er schon wirklich landschaftliche Studien
nach der Natur gemacht hatte. Der Herausgeber einer im Jahre
1609 erschienenen französischen Uebersetzung des bekannten Werkes
von Guicciardini erzählt nämlich von einem Bilde unseres Meisters
mit der Geschichte des h. Bavon, das er bei einem Kunstfreunde
von Harlem gesehen habe und das aus einem Kloster derselben
Stadt herstamme, auf welchem die Landschaft beliebte Stellen aus
der Umgebung von Harlem, namentlich auch einen gewissen hohlen
Baum erkennen lassel). Es war dies nicht eine persönliche Erfindung
unsres Meisters, sondern die Richtung seiner Vaterländischen Schule.
Carl van Mander erzählt, man glaube in Harlem, dass dort die
ältesten landschaftlichen Bilder entstanden seien; er knüpft diese
Bemerkung an die rühmende Erwähnung des Landschaftlichen in den
Bildern des Albrecht von Ouwater, und wir erfahren durch den Ano-
nymus des Blorelli, dass man auch in Italien im Anfange des sech-
zehnten Jahrhunderts kleine landschaftliche Bilder mit dem Namen
P 1 -Bas de Guicciardini traduite par Belle-Forest,
I) Descnptloädfz? tguielgilyqiäemsbles par Pierre du iNIont p. 102, bei NVauters
avec plusieurs a 110D
a. a. O. p. 8.