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Schlusse des fünfzehnten Jahrhunderts.
am
Die niederländische Malerei
den Kopf des Enthaupteten, in der andern den Beweis seiner Un-
schuld, nämlich das glühende Eisen des Gottesurtheils haltend, rings
umher einige Hofleute; im Hintergrunde die verbrecherische Kaiserin,
schon an den Pfahl gebunden, um verbrannt zu werdenl). Man
kann nicht behaupten, dass diese stattlichen Bilder an innerem Werthe
jenem Altarwerke des Sakramentes gleichkommen. Wir erkennen
zwar den Meister wieder, er hat Fleiss und Mühe nicht gespart;
die Zeichnung hat im Wesentlichen dieselben Eigenthümlichkeiten,
die Färbung ist vielleicht nicht ganz so harmonisch, aber nicht.
iweniger kräftig. Aber die Aufgabe entsprach seinem künstlerischen
Vermögen und seiner Kunstrichtung nicht so, wie dort. Schon auf"
den Nebentafeln des Abendmahlbildes bemerken wir, dass die stehen-
den Gestalten, z. B. die Israeliten bei der Mahlzeit des Passahlammes
vor dem Auszuge aus Aegypten steif und in monotoner Haltung, dass
die Bewegungen, z. B. die Kniebeugung Abrahams vor dem Priester-
könig Melchisedek, etwas eckig und lahm ausfallen; aber bei dem
Charakter religiöser Feierlichkeit oder naiver, demüthiger Frömmig-
keit, der dort vorherrschte, war das nicht gerade anstössig. Hier
dagegen, wo vornehme Personen in dramatisch bewegten Hergängen
vorgeführt werden sollen, fällt es mehr auf. Dazu kam denn, dass
die Figuren hier in fast lebensgrossen Dimensionen, die in der da-
maligen Kunst nur selten und dann meistens bei ruhiger, statuarischer
Haltung gebraucht wurden, und in der ungünstigen burgundischen
Hoftracht erscheinen. Die Wittwe, das glühende Eisen des Gottes-
gerichtes in ihrer Hand und den Kopf ihres Gemahls im Arme, kniet.
vor dem Kaiser mit einer jener zuckerhutförmigen Hauben, für welche
die Damen jener Zeit sclnvärinteii, und die Hofleute zeigen unter den
kurzen Jacken ihre etwas zu lang gerathenen, spindeldürren Beine in
enganliegenden Kleidern als ebenso viele senkrechte und parallele
Linien. Der Maler hat sich auch hier bemühet, das Mitleiden und
Erstaunen der Umstehenden auf ihren Gesichtern und besonders in
Handbewegungen auszudrücken, aber bei den Hauptpersonen, z. B.
bei der knieenden Gräfin, scheint er dafür kein zugängliches Motiv
gefunden zu haben, und selbst bei den Anderen ist der Ausdruck
matt und trocken und die ganze Erscheinung steif und monoton.
Ausser diesen urkundlich beglaubigten Bildern unsres Meisters
besitzen wir noch einige, welche man ihm nach der Aehnlichkeit des
Styls zuschreiben kann. Am sichersten ist dies bei dem in der
des
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sciences
1) Abbildungen der ersten der beiden Tafeln im Messager des
arts 1834 S. 150, der zweiten bei Passavant, Reise S. 385.