Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

Die 
beiden Tafeln in Brüssel. 
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können, der in Gent geboren war und jetzt als Mönch im Rothen 
Kloster wohnte, geschah. Wir haben schon gesehen, dass dadurch 
Hugo van der Goes bezeichnet istl). 
Die vier Tafeln, auf welche die Bestellung ursprünglich gerichtet 
war, hatten wahrscheinlich ganz nach dem Vorbilde der Malereien 
Rogers tvan der Weyden in Brüssel zwei Geschichten gleicher Ten- 
denz darstellen sollen, von denen die eine in den beiden vorhandenen 
Tafeln erschöpft war. Man beschloss daher, sich vor der Hand mit 
denselben zu begnügen; sie wurden in das Getäfel der Rathstube 
eingelassen und blieben hier bis zum Jahre 1827, wo die Stadt dem 
Wunsche des Prinzen von Oranien, nachherigen Königs der Nieder- 
lande, nachgebencl sie demselben verkaufte, aus dessen Sammlung sie 
dann auf Umwegen in das Museum zu Brüssel gelangt sindi). 
Der Gegenstand dieser Gemälde ist eine von einem Chronisten 
des 12. Jahrhunderts erzählte, ganz unhistorische Sage, wonach ein 
deutscher Kaiser (die Sage nennt Otto III., dessen Lebensverhältnisse 
gerade am  wenigsten dazu passen) in Folge einer falschen Bescl1ul- 
digung seiner Gemahlin einen Grafen hinrichten liess, dann aber, 
nachdem dessen Wittwe seine Unschuld erwiesen hatte, die Kaiserin 
selbst, als die Urheberin dieses Justizmordes, zum Feuertode "verur- 
theilte. Es ist also eine Geschichte ganz ähnlich der in Brüssel dar- 
gestellten, die That eines selbst gegen die nächsten Verwandten un- 
erbittlich strengen Richters. Von unsern beiden Tafeln zeigt nun 
die erste die Enthaulatung des Grafen; im Hintergründe wird er, be- 
gleitet von einem "Franciskaner und von einem Volkshaufen, zum 
 Richtplatze geführt, im Vordergrunde liegt der enthauptete Körper 
am Boden, während der Henker den abgeschlagenen Kopf der Gräfin 
überreicht. Kaiser und Kaiserin sehen von ihrer Burg aus der Exe- 
cution zu. Hier also das Verbrechen; ElulJE-Hl zweiten Bilde die 
Strafe. Vor dem Kaiser, der auf einem Thronsesnsel" sitzend durch 
bedauerlichen Blick und durch die Hand auf der Brust seine Reue 
zu erkennen giebt, kniet die Gemahlin des Grafen, in einer Hand 
1) S. die Rechnungsauszüge bei van Even (1861) S. 25, 2G und bei Wauters 
(1863) S. so, 31. 
2) Die vier ursprünglich bestellten Bilder sollten nach der Angabe jener er- 
wähnten handschriftlichen Annalen zusammen bei einer Höhe von 12 Fuss die 
Breite von 26 Fuss haben. Der Fuss Löwener Maasses betrug (nanh Wanters 
a. a. 0. S. 25) nur 28 (Zentimeter; 12 Fuss sind daher 3 m. 36, 61112 (die Breite 
jeder Tafel) 1 m. S2. Dies letzte stimmt vollkommen mit den in Brüssel bewahrten 
Tafeln, die Höhe dagegen beträgt nur 8 m. 23, ist also, aber nur um etwa 1,12 Fusg, 
geringer, was der Verfasser jener Annalen leicht, um volle Zahlen zu geben, iguo- 
rirt haben mag. 
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