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am Schlusse des fünfzehnten Jahrhunderts.
Die niederländische Llalerei
Nebensachen sind auf das Sorgfältigste ausgeführt. Aber sie ist der
geistigen Aufgabe untergeordnet. Das Ganze athmet Friede und
Ruhe, und die Aufmerksamkeit wendet sich ungetheilt den Haupt-
personen zu. Unter denselben erscheint Christus als der Mittelpunkt,
auf den sich alles bezieht, in feierlicher Handlung, der die Apostel
in Spannung zuschauen; in seiner Linken hält er ein Brödchen, dessen
Gestalt an die Hostie erinnert, die Rechte ist segnend oder lehrend
erhoben, und sein Mund scheint ernste Worte der Weihe oder der
Warnung auszusprechen. Seine Gesichtszüge mit hoher Stirne, starken
Backenknocken und etwas schweren Lippen halten die Mitte zwischen
dem überlieferten Typus und der Gesichtsbilrlung des niederdeutschen
Stammes, sie sind mehr darauf berechnet, Mitgefühl zu erwecken,
den Eindruck lehrenden Ernstes und des Leidens, als den der Scl1ön-
heit oder imponirender Würde zu machen. Es sind die Züge, welche
sich namentlich in der niederrheinischen Schule noch lange erhielten.
Nicht minder ausdrucksvoll und vielleicht anziehender sind die Jünger,
jeder in verschiedener sprechender Weise; Petrus sehr schön, ernst.-
haft, gespannt, aber lträftig dreinblickend, Johannes jugendlich mild,
aber keineswegs süsslich und so fort die anderen Apostel in mannig-
faltiger, stets charakteristischer Weise Andacht, Bedauern, Erstaunen
ausdrückend. Besonders die Bewegung der Hände ist höchst be-
zeichnend. Auch Judas, schwarzhaarig in dunklem Rocke und rothean
Mantel, die habgierige Hand empfangsbereit auf dem Rücken haltend,
ist nicht grell und doch charakteristisch. Die Ausführung der Hände
und der durchweg nackten Füsse ist sorgsam und vortrefflich, der
Faltenwurf würdig und besonders die Farbenstimmung der Gewänder
in meist dunklen aber doch verschiedenen harmonisch wirkenden
Tönen und in wohlberechnetem Verhältnisse zu dem hellen Grunde
des Saales meisterhaft.
Zu dieser Mitteltafel gehörten zwei Flügel, jeder mit zwei über-
einander gestellten Bildern, welche in unbekannter Zeit verschleppt
und in keiner Urkunde erwähnt, doch durch ihre künstlerische Be-
handlung und durch die Uebereinstimmung der Maasse erkannt
und erwiesen sind. Zwei derselben befinden sich in der Pinakothek
zu München, zwei im Berliner Museum. Sie enthalten alttestamen-
tarische Hergänge, die zu dem Sakrament in symbolischer Beziehung
stehen: Abraham mit ltlelchisedelt (Fig. 16) und die Mannalese (beide in
Münchentdie Passahfeier in Aegyjiten und der von einem Engel mit
Speise und Trank versehene Elias (beide in Berlin)1). Die etwas
1) Abbildungen sämmtlicher Tafeln in Försters Denkmalen der Bildnerei.