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und seine iiandrischen Zeitgenossen.
Weyden
Roger van der
der Mitteltafel ist figurenreich und fast überfüllt. Die Züge der
weiblichen Gestalten, der Maria, der Engel, selbst der Stifterin sind
zart und von schlankerer Bildung, als sonst dieser Schule eigen, die
der Hirten individuell und mit dem Ausdrucke frommer Demuth in
flandrischer Weise. Die männlichen Heiligen auf den Flügeln da-
gegen und selbst Joseph gehen ungewöhnlich in's Breite und alle
Gewänder sind von schwerem Faltenwuif. Die Farbe ist kräftig und
harmonisch, doch sind die Schatten grauer als gewöhnlich, die Aus-
führung der Details, der Haare, Perlen und Schmucksachen von be-
wundernswerthem Fleisse. Das Ganze zeigt, dass der Künstler neben
der miniaturartigen Feinheit, die seine Landsleute besonders schätzten,
auch grössere Verhältnisse zu beherrschen verstand. Dass Hugo in
Italien gewesen sei und das Bild hier vollendet habe, ist durchaus
nicht wahrscheinlich. Die Familie des Stifters wohnte in Flandern
und die Tracht der Frau zeigt jenen spitzen mit Perlen geschmückten
Schleierhut (Hennin), der in Flandern wie in Frankreich üblich war,
aber in Italien nicht aufkam. Das Bild wird also in Brügge oder
Gent gemalt und von dem Stifter nach Florenz gesendet sein 1).
Ungeachtet des grossen Rufes, dessen sich Hugo van der Goes
erfreute, können wir ausser diesem kein andres Bild seiner Hand
nachweisen. [Siehe indess unten Anm. 2.] Die meisten, welche in den
Sammlungen unter seinem Namen gezeigt werden, sind entweder ent-
schieden später, oder haben doch nicht die Uebereinstimmung mit
jenem seinem authentischen Werke, welche zu dem Beweise nöthig
wäreß). [Ueber einige verlorene Werke von ihm siehe Wauters,
a. a. O. p. 26.]
1) Ein Beispiel eines ähnlichen Herganges giebt ein Bild in der Kirche
S. Lorenzo- bei Rapallo im Genuesischen, welches Andrea da. Costa, wie darauf
ausdrücklich angegeben ist, im J. 1499 in Brügge malen liess und dann in diese
seine Heimath schickte. Ygl. hiezu E. Förster, Denkmale etc.
2) Der kleine Johannes in der Wüste in der Münchener Pinakothek Kab. VI.
Nr. 697 gehört ungeachtet der (ohne Zweifel unechten) Inschrift Hugo v. d. Goes
1472 einem Maler aus Memling's Schule, wenn nicht diesem selbst an; das in den
Uffizien zu Florenz (Saal der iiandrischen Schule Xr. 698) befindliche, sehr reizende
kleine Bild der Jungfrau mit dem Kinde, zwei weiblichen Heiligen und zwei
Engeln ist wahrscheinlich ebenfalls von Memling. [lNIehrei-e ebendort beündliche,
unserem Meister zugeschriebene Bildnisse sind zviar fiandrisch, aber nicht von
ihm.] Die Verkündigung im Museum zu Berlin (Nr. 530) mag gleißlllßitig mit
Hugtis Arbeiten sein, verräth aber im Typus der Köpfe einen andern Meister.
[Zwei achte Bilder von ihm sind indess vor einigen Jahren in die Pinakothek zu
Badua. gebracht worden, eine Anbetung der Könige und eine Darstellung im Tempel,
111 Figuren von etwas mehr als einem Drittel Lebensgrösse. In diesen kleineren