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der Weyden und seine flaudrischen
Roger van
Zeitgenossen.
In der Mitte eines kirchenartigen Gebäudes an einem Tische, auf
welchem Salzfass und Brod die ebenbeendete iVIahlzeit andeuten,
reicht Christus einem knieenden Apostel von dem Teller in seiner
Linken die Hostie. Drei der Jünger hinter dem Erlöser scheinen
die heilige Speise bereits erhalten zu haben und betend in knieender
Stellung zu beharren, andre noch vor ihm erwarten die Spendung,
und nur die drei letzten stehen aufrecht, Judas abseits mit dem
Beutel in der Linken, ein zweiter mit der brennenden Kerze und
der jugendliche Johannes, der soeben Weinflasche und Kelch auf
den Tisch gestellt hat. Ueber der Scene schweben zwei anbetende
Engel in mächtigen, bauschigen Gewändern, zur Seite aber treten in
vornehmer Ruhe Gestalten heran, an ihrer Spitze der uns durch
Bildnisse wohlbekannte Herzog Federigo von Urbino und neben ihm
ein Mann in reicher orientalischer Tracht, wie die Localschriftsteller
berichten, der Venetianer Caterino Zeno, der am Hofe des Schah
von Persien gewesen und von demselben beauftragt war, mit den
europäischen Fürsten wegen eines gemeinschaftlichen Krieges gegen
die Türken zu unterhandeln. Er erschien zu diesem Zwecke gerade
im Jahr 1474 bei Friedrich von Urbino, der als berühmter Kriegs-
held hiebei unentbehrlich war, und dies gab auf seinen Wunsch oder
aus einer Rücksicht auf ihn, der das Brüderschaftsgemalde durch
einen bedeutenden Beitrag unterstützt hatte, Veranlassung, diese
ehrenvolle Sendung hier zu verewigen. In der amnuthigen Würde
dieser Gestalten ist ein italienisches Element vorwaltend, an den
übrigen Figuren aber ist der Flamlander mit seinen Vorzügen und
seinen Schwächen nicht zu verkennen, so in der Innigkeit und Mannig-
faltigkeit des Ausdrucks der Apostel, in der schlichten und dramatisch
wahren Anordnung, aber auch in den überladenen oder eckig ge-
brochenen Falten der Gewänder und in einer gewissen Unbeholfen-
heit der Bewegungen. Dies ist namentlich bei der Hauptfigur der
Fall, bei Christus, der in dem langen lichtgrauen Gewande, das die
niederrheinische Schule ihm zu geben pflegt, durch die zwiefache
Aufgabe des Vorwartsschreitens und der Beugung zu dem vor ihm
knieenden Apostel in eine sehr unsichere und jedenfalls unschön
breitbeinige Stellung gekommen ist. Dabei erkennen wir aber auch
Vorzüge, die durch die Berührung beider Schulen entstanden Sind-
Die Composition, aus ziemlich zahlreichen Figuren von zwei Dritteln
der Lebensgrösse bestehend, hat unbeschadet der Naturwahrheit und
Innigkeit eine Klarheit und Abrundung und eine Schönheit der Linien,
wie sie sich auch auf italienischen Bildern dieser Zeit nicht leicht
finden.