Gerhard van der Meire.
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gegen einen Schüler Hubert's van Eyck, und eine andere spätere
Aufzeichnung rühmt sein in der Johanneskirche zu-Gent befindlich
gewesenes, aber bei dem Bildersturme untergegangenes Marienbild.
In den Registern der Lucasgilde zu Gent kommt aber aus dieser,
sonst seit dem Anfange des Jahrhunderts zahlreich vertretenen Maler-
familie nur ein Gerhard vor und dieser erlangte erst im Jahre 1452
das Meisterrecht und war noch im Jahre 1474 am Leben 1). Er hatte
also gewiss nicht zu Hubert und schwerlich zu Johann van Eyck in
unmittelbarem persönlichem Verhältnisse gestanden. Der Verfasser
jenes Manuscripts muss sich daher geirrt habeni). Das einzige Werk,
welches dem Gerhard van der Meire zwar auch nicht nach urkund-
lichem Zeugnisse, sondern nur nach alter Tradition zugeschrieben
wird, ist ein Flügelbild der Kreuzigung zwischen den a1ttestamen-
tarischen Scenen der ehernen Schlange und des aus dem Felsen
quellenden Wassers des Moses in der Kirche St. Bavo zu Gent. Es
ist eine grosse, wohlangeordnete Composition, aber ohne Warme und
Reiz, die Gestalten sind schlank und ihre Bewegungen heftig, wie es
wohl erst durch Roger aufkamß). [In der Kathedrale zu Brügge
hängt an der Wand des rechten Seitenschiffes ein Breitbild, das auf
dem nicht gleichzeitigen Rahmen die Bezeichnung Gerard van Meeren
1500 trägt, die möglicherweise nach einer älteren, ursprünglichen
copirt ist, links die Kreuztragungr, in der Mitte der Gekreuzigte mit
der gewöhnlichen Umgebung, rechts die Beweimmg des Leichnams.
Fleissig und gediegen in der Ausführung ist es ein Werk von geringer
geistiger Bedeutung, ungeschickt, übertrieben und steif in den Be-
wegungen, manierirt in den Mienen, mit theils zugekniffenen, theils
aufgerissenen Augen. Die Färbung ist hell und klar, aber entbehrt
der feineren Harmonie. In der Zeit mag die Angabe des Rahmens
stimmen. Vgl. über eine Menge anderer Gemälde, die dem Gerhard van
der Meire ohne jede urkundliche Beglaubigung zugeschrieben werden
und nicht einmal unter sich alle übereinstimmen, die deutsche Aus-
gabe von Crowe und Cavalcaselle S. 157 u. ft]
1) Edmond de Busseher a. a. O. S. 205 und Katalog des Museums zu Ant-
werpen.
ß) Ueber die geringe Zuverlässigkeit dieses Manuscripts s. Ruelens a. a. 0.
S. CXIX.
3) Ich habe das Bild nur vor der Restauration vom J. 1864 gesehen, durch
welche es nach Michiels a. a. O. III. 134 sehr gewonnen haben soll. Wenn dieser
es der Familie van der Meire erhalten, aber einem Jan, der nach den Registern
der Gilde schon im Jahre 1436 Meister geworden war, zuschreiben will, so ist das
eine müssige Hypothese ohne wissenschaftlichen Grund und Zweck.