Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

Cristus. 
YVerke des Petrus 
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und öde bis zur Meeresküste hinzieht, sieht man im Hintergründe 
Auferstehende, vorn aber die ritterliche, schlanke Gestalt des Erz- 
engels Michael in dunkel leuchtender Goldrüstung und mit farbigen 
Flügeln, wie er, das Schwert schwingend und auf gespreizten Beinen 
fest stehend, mit der Lanze den Höllenrachen bewältigt und mit 
dem rechten Fusse den Tod, ein riesenhaftes Gerippe, in den Ab- 
grund stürzt. Gefühl für Schönheit der Linie und der Form ist nicht 
gerade ein Vorzug dieses Meisters; es ist fast, als ob er absichtlich 
eckige, bizarre Verbindungen gesucht habe. Die Apostel und Hei- 
ligen lässt er nicht unmittelbar auf Wolken, sondern auf schweren, 
hölzernen mit Eisen beschlagenen Banken sitzen und "zwar nicht 
im Kreise, sondern in rechtwinkeligem Anschluss dreier Seiten, zu 
denen die vierte offene die des Beschauers ist. Ebenso fällt die un- 
angenehm gespreizte Haltung des Erzengels auf, dessen Körper nahe- 
bei ein Andreaskreuz bildet. Auch im Einzelnen fühlt man eine 
gewisse Harte und Rohheit des Sinnes. Kopf und Haltung des Welt- 
richters sind ohne Kraft und Würde, und die Apostel und Seligen 
zeigen durchweg denselben, auch auf der andern Tafel wiederkehren- 
den Gesichtstypus mit breiter Stirn, spitz zulaufendem Kinn und 
schwärzlich gelbem Fleischtone. Aber man darf dem Künstler die 
Anerkennung nicht versagen, dass er trotz der ungünstigen Form der 
Tafel dem grossen Gegenstande gerecht zu werden gewusst hat. Selbst 
die Harte der Zeichnung und der tiefe, bräunliche Ton der Farbe 
wirken hier nicht nachtheilig, und die spröden Linien und die Mono- 
tonie der Köpfe unterstützen den ernsten Eindruck. Jedenfalls ist 
aber der Gedanke, den Erzengel mit seiner spiegelnden Rüstung im 
Vorgrunde zum Einheitspunkte der ganzen Darstellung zu machen, 
den wir hier zum ersten Male antreffen, ein höchst genialer. 
In der Sammlung der Ermitage zu St. Petersburg befinden 
sich zwei Flügelbilder, welche, wie die eben betrachteten, aus Spanien 
stammend, ihres Mittelbildes beraubt sind und in noch kleinerem, 
fast halb so grossem Raume ebenso wichtige und ernste Hergange 
in figurenreicher Darstellung enthalten, das eine die Kreuzigung, das 
andere wiederum das jüngste Gericht und zwar in ganz ähnlicher 
Weise, wie in Berlin. Nach dem Urtheil unsres sachkundigen Be- 
richterstatters sind sie, obgleich ohne Bezeichnung, unzweifelhaft von 
der Hand unsres Meisters, aber besser als alle seine anderen Werke, 
von bewundernswiirdiger Meisterschaft miniaturartiger Ausführung 
und trefflicher, warmbräunlicher Farbe 1).  
1) Waagen: 
die 
Gemäldesammlung der Ermitage (1864) S. 
116. 
Es ist zu be-
	        
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