Werke des Meisters.
Untergegangene
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Gemälde im Rathhause von Brüssel mit ihrer reichen dramatischen
Scenerie zu erinnern. Dass ausserdem noch andere Gemälde Rogefs
in Flandern waren, ergiebt schon Dürer's Tagebuch, der in Brügge
im kaiserlichen Schlosse „Rudiger's gemalt Kapellen" (wohl keine
Wandmalerei, sondern ein tragbarer Altar, ein Triptychon)1) und in
St. Jakob daselbst „köstlich Gemahl" von ihm sah. Unter den Bil-
dern unsres Meisters, die schon um 1450 in Italien waren, beschreibt
Facius eines, das er in Genua sah, worin eine Frau in einer Bade-
stube dargestellt war, nebst zwei dieselbe durch eine Ritze belauschen-
den jungen Leuten, deren Lachen sehr erkennbar war. Diese, wie
er sagt, sehr ausgezeichnete Tafel war also ein Genrebild, bei dem
es, wie auf dem ähnlichen Bilde Johann's van Eyck, auf Studien des
Nackten und zugleich auf ein optisches Kunststück ankam, durch welches
es möglich wurde, zugleich jene draussenstehenden lachenden Jünglinge
und das Innere der Badestube zu zeigen. Wenn es wirklich von Roger
herrührte, so bildet es eine Ausnahme, denn alle seine übrigen Bilder
haben historischen Charakter, und jene Vorliebe für optische Phäno-
mene, die Johann van Eyck hatte, scheint ihm fremd geblieben zu sein.
Schon das andere, in Italien berühmte Werk, welches ausser Facius
auch Oyriacus von Ancona im Besitze des Herzogs von Ferrara sah,
war ein religiöses Triptychon, in der Mitte die Kreuzabnahme, an
der beide Berichterstatter die ergreifende Darstellung des Schmerzes
rühmen, auf den Flügeln auf der einen Seite ein betender König,
auf der andern aber die Vertreibung aus dem Paradiese, bei der die
Schönheit der nackten Gestalten Bewunderung fande). Ausserdem
sah Facius bei dem König Alfons von Neapel mehrere Bilder Rogers
aus der Passionsgeschichte, die auf Leinwand gemalt waren, ein
Umstand, der bemerkenswerth ist, weil Malereien dieser Art von den
Eyclös nicht bekannt sindii). [Vielleicht ist eines davon die Grab-
1) Wie dies Pinchart a. a. O. S. CCLXXXIII. nachweist.
2) Orowe und Cavaleaselle in der angeführten Uebersetzung I. p. 164 und noch
in der 2. Ausgabe in Naumann's Archiv 1862 (Bd. VIII.) S. 205 nehmen an, dass
Roger im J. 1449 in Ferrara gewesen sei und dort gemalt habe. Cyriacus d'Ancona
Sagt; aber bloss, dass Lionell d'Este ihm, dem Cyriacus, bei seinem Besuche in
Ferrara im J. 1449 ein Bild des Roger gezeigt habe. Noch weniger Grund hat
die eben daselbst aus einer missverstandenen Aeusserung Lanziis (Scuola Senese
Epoca I. in {ine I. p. 324) gefolgerte Vermuthung, dass Angele Parrasio und Ga-
lasso Galassi, die damals in Ferrara arbeiteten, von Roger die Oelmalerei erlernt
hatten.
a) Damit steht vielleicht im Zusammenhange, dass Carl van Mander mehrere
zur Wandbekleidung dienende "Tücher" mit Gemälden, welche er in Brügge sah,
seinem Roger van Brügge zuschrieb.