Gericht im Hospital zu Beaune.
Das jüngste
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Andere Gründe haben zu der an sich wahrscheinlichen Ver-
muthung geführt, dass das Bild schon 1447 vollendet gewesen
sei 1). Bei völlig geöffneten Tafeln bildet das Ganze eine zusammen-
hängende Darstellung des jüngsten Gerichtes. Ganz oben, in dem
zu diesem Zwecke überhöheten mittleren Theile des Bildes Christus
in purpurrothem Mantel auf dem Regenbogen thronend, die Füsse
auf der goldenen, mit Edelsteinen besetzten kleinen Weltkugel, von
seinem Munde ausgehend zur Rechten die Lilie, zur Linken das
Schwert. Neben ihm zunächst Engel mit den Marterwerkzeugen,
etwas tiefer unten Maria und Johannes fürbittend, dahinter die sitzen-
den Gestalten der zwölf Apostel nebst einer kleinen Zahl von Seligen.
Unterhalb der Wolkenschicht, welche diese Himmlischen tragt, steht
dann auf dem festen Erdboden zunächst die kolossale Gestalt des
Erzengels Michael, noch nicht wie auf dem weiter unten zu erwäh-
nenden Bilde des Petrus Cristtis und wie auf dem berühmten Dan-
ziger Bilde in glänzender ritterlicher Rüstung, sondern im weiten
priesterlichen Gewiantle, mit der Wagschale in der Hand. Neben ihm
schweben posaunenblasende Engel, auf deren Ruf denn auch die
Gräber zu beiden Seiten sich öffnen und die Auferstehentlen sich er-
heben, hier die Gerechten im Dankgebet, dort die Verdammten mit
verzweifelnder Geberde, diese dem Flammenpfuhl zueilend, den die
äusserste schmale 'I'afel zeigt, während auf der entgegengesetzten
Seite die Himmelspforte als sonnenbeschienenes gothisches Portal
dargestellt ist, auf dessen Stufen ein Engel eine kleine Zahl von
herannahenden Seligen einpfangtg). Wie auf dem Genter Altar ist
1) Die auf der Aussenseite dargestellten Ileiligenbilder sind die des hl. Se-
bastian und des hl. Antonius. Dieser letzte war durch die ursprüngliche von
Engen IV. (i 1447) ausgehende Bestatigungsurkunde zum Patron der Anstalt er-
nannt. Da dies jedoch Streitigkeiten mit dem Hospital des hl. Antonius in Vienne
erregte, musste das von Beaune den Schutzheiligen wechseln und trat nun, nach
einer Anordnung Nicolaus V. Hr 1455i, unter das Patronat Johannes des Taufers.
I)ie Darstellung des hl. Antonius lässt daher darauf schliessen, dass das Bild vor
dieser Aenderung entstanden ist. So Passavant a. a. O. Die Gründe sind nicht
sehr schlagend, wichtiger die Wahrscheinlichkeit, dass der Kanzler Rollin seine
Stiftung nicht lange ohne die Zierde eines Altarbildes gelassen haben wird.
2) Eine kleine Abbildung des ganzen Werkes bei geöffneten und bei ge-
schlossenen Thüren ist der englischen Ausgabe von Crowe und Cavalcaselle und
Waageifs Handbuch beigegeben. Förster (Denkmale a. a. 0A giebt sehr gelungene
Zeichnungen in grösserer Dimension, aber nur von den drei mittleren Tafeln,
Unser Holzschnitt, nach jenem englischen mit Fortlassuxig der beiden aussersten
Tafeln gefertigt, soll nur das Verständniss der Beschreibung erleichtern und reicht
natürlich nicht aus, um eine Vorstellung von den einzelnen Figuren zu geben.