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Roger van
fiandrischen Zeitgenossen.
der Weyden und seine
Im Jahre 1450, also zur Zeit eines Jubiläums, befand unser
Meister sich in Rom, wie wir durch eine von Facius mitgetheilte
Anekdote wissen 1), ohne Zweifel mit Urlaub der Stadtbehörde, da er
bis zu seinem Lebensende im Dienste und Solde derselben blieb.
Er hinterliess vier Kinder, unter denselben aber keines, das seinen
Vornamen führte, und nur einen Maler, Peter van der Weyden,
geb. 1437 2). Von diesem stammte dann wahrscheinlich der Maler
Goswien van der Weyden, der sich in der uns erhaltenen Inschrift
auf einem in der Abtei zu Tongerloo befindlich gewesenen, jetzt
nicht mehr vorhandenen Bilde von 1535 als Enkel Bogens „des
Apelles seiner Zeit" und zugleich als bereits siebenzigjahrigen Greis
bezeichnetß). Er hatte sich, wie die Urkunden der Malergilde von
Antwerpen ergeben, bereits im Jahr 1503 in dieser Stadt nieder-
gelassen, war zwei Mal Aeltermann der Gilde und lebte noch im
Jahr 1537. Sein Sohn war nun jener Roger, der 1528 das Meister-
recht erhielt, aber keinesweges 1529 starb (wie van Mander durch
irgend eine Verwechselung annahm), sondern noch 1537 als lebend
genannt wird. Es giebt also wirklich einen jüngeren Roger van der
Weyden; derselbe ist aber nicht, wie man geglaubt hat, der Sohn
oder Neffe, sondern der Urenkel des berühmten Meisters, viel zu
weit abstehend von ihm, um der Urheber jener demselben nach-
gebildeten Gemälde zu sein und, da von seinen eignen Werken nichts
bekannt ist, zu unbedeutend, um einen Platz in der Kunstgeschichte
zu behalten. Jene fraglichen Gemälde aber werden von Peter van
der Weyden, dem Sohne des grossen Meisters, oder von irgend einem
unbekannten Schüler des Letzteren herstammen, der ihn um 20 oder
30 Jahre überlebte und eine Industrie daraus machte, seine Gompo-
sitionen zu wiederholen. Wir verlieren nicht viel dabei, dass wir
seinen Namen nicht wissen.
1) F acius erzählt nämlich im Leben des Gentile da Fabriano, (lass Roger sich
über dessen Malereien sehr günstig geäussert. Die Stelle ist bei Pinchart a. a. 0.
p. CLXXXII. u. sonst häufig abgedruckt.
ß) Pinchart a. a. O. p. CCXIX.
e) Leon de Burbure, Documents biographiques inedits sur les peintres Gos-
wien et Roger van der Weyden in dem Bulletin de PAcademie de Bruxelles,
Serie IL, Tonie XIX. (1865) p. 354, und in besonderem Abdrucke. Jene Inschrift,
die uns durch einen Schriftsteller des vorigen Jahrhunderts wörtlich mitgetheilt
ist, wurde längere Zeit auf ein im Museum zu Brüssel befindliches Triptychon mit
der Assumtion der Jungfrau bezogen, bis diese Annahme durch Ed. Fetis in dem
Bulletin des Oommissions royales dlArt et dlärcheologie, Brux. 1862 S. 457 FF. als
irrig nachgewiesen wurde. Wir besitzen kein erweislich von Goswien gemaltes
Bild.