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Roger
der
seine flandrischen Zeitgenossen.
Weyden und
Bilder jedem von beiden die ihm vermeintlich zugehörigen zuzuweisenl).
Diese besonders von den deutschen Kunstforschern allgemein ge-
theilte Ansicht ist indessen durch neuere archivalische Entdeckungen
wesentlich modificirt. In den Registern der Malerzunft zu Tournay
ist nämlich in dem Verzeichniss der Lehrlinge vermerkt, dass Rogelet
de la Pasture, gebürtig aus Tournay, am 5. hlärz 1426 bei Meister
Robert Campin dem Maler in die Lehre getreten sei und dass er
seine Lehrzeit bei diesem Meister ausgehalten; und demnächst in dem
Verzeichniss der Meister, dass Meister Roger (denn so heisst er nun)
de la Pasture am 1. August 1432 die Freiheit des Gewerbebetriebes
erlangt habe 2). Die Uebersetzung des Beinamens aus einer Sprache
in die andere war damals, wo sich der Begriff eines festen Familien-
namens noch nicht gebildet hatte, etwas sehr Gewöhnliches. Es ist
daher begreiflich, dass Meister Roger, sobald er aus seiner französisch
redenden Vaterstadt in iiamlandische Gegenden verzog, sich van der
Weyden nannte. Seine eigne Geschichte zeigt zwei Fälle, wo dieser
iiamländische Name wieder einer Uebersetzung unterlag. Noch im
Jahre 4459, wo er schon längst unter seinem neuen Namen auf der
Höhe des Ruhmes stand, wird er in der Rechnung des Abts von
St. Aubert in Cambrai, dem er ein grosses Bild geliefert hatte, als
„maistre Rogier de la Pasture, maistre ouvrier de painture de Bru-
xelles" aufgeführt, und in der lateinisch geschriebenen Chronik der
Karthäuser in Brüssel selbst wird der Mönch Cornelius, der zugleich
als Sohn des berühmten Malers Rugerius bezeichnet ist, de Pascua
genanntg). Die Identität jenes Meisters von Tournay mit dem be-
rühmten Stadtmaler von Brüssel ist dann aber durch eine fernere
Notiz in den Papieren jener Malerzunft festgestellt, indem in der
Rechnung von 1464 der Preis von Lichtern für die Todtenfeier des
1) Die ausführliche Begründung dieser Ansicht bei Waagen im Knnstblatt
1847 a. a. O. und bei Passavant in v. Quast und Ott-e, Zeitschrift f. christliche
Archäologie und Kunst, Band II. (1858) S. 1. 120 ff, in zum Theil nicht unwich-
tigen Nebensachen abweichend, aber in der Annahme der beiden gleichnamigen
Maler übereinstimmend. Vgl. ferner E. Förster, Gesch. der d. Kunst Bd. II. 85
u. 136. Waagen, Handbuch I. 104 u. 128, während Crowe und Cavalcaselle
sich gegen die Annahme des jünger-n Roger von Anfang an ablehnend verhielten.
i) Diese und die folgenden urkundlichen Notizen aus Tournay sind theils in
dem Catalog des Museums von Antwerpen vom Jahr 1857 (dessen Verfasser
Theodor van Lerius zu den ersten Entdeckern dieser wichtigen Notizen gehörte)
P- 31, theils in Pincharüs Noten zu Crowe und Cavalcaselle II. p. CCXVII. und
danach bei Michiels (2. Auflage) III. p. 10 und 46 abgedrüßkt-
s) Vgl. jenen Contract bei de Laborde, Ducs de Bourgogne I. p. LIX., die
Notiz aus der Brüsseler Klosterchronik aber bei Wauters a. a. O.