Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

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Hubert und Johann van Eyck. 
im Raume so viele Gestalten und Erscheinungen zusammen, als die 
Feinheit ihres Pinsels gestattet und _geben auch dem Entfernten eine 
so genaue und vollständige Ausführung, als sie vermögen: Die Luft- 
perspective ist ihnen nicht unbekannt; für den Reiz (luftiger Fernen 
sind sie nicht unempfänglich, aber nur so weit die Perspective diese 
Wirkung hervorbringt, lassen sie sich auf sie ein; von der allmäligen 
Abnahme der Farben im Mittelgrunde nehmen sie keine Notiz. Ohne 
Zweifel war dies nicht ein Kunstgriff, sondern eine naive Unkennt- 
niss, ein Mangel an Beobachtung; aber die Wirkung ist eine höchst 
poetische. Wir werden dadurch wie auf Flügeln der Phantasie 
emporgehoben und überschauen mit einem Blicke den Reichthum der 
Schöpfung im weiteren Umfange, als es uns in der Wirklichkeit die 
Beschränkung unsres Gesichtskreises gestattet; wir werden uns ihrer 
doppelten Unendlichkeit, der äusseren des Raumes und der inneren 
der Eigenschaften und Beziehungen, die sich in jedem Gegenstande 
spiegeln, gleichzeitig bewusst. Diese kühne, kindlich naive Begeiste- 
rung, verbunden mit der männlich ernsten Ausdauer der Ausführung, 
mit der liebevollen anspruchslosen Hingebung, mit der Gemüthsruhe 
und Pietät und endlich mit der Pracht der Farbe, die wie ein voll- 
ständig besetzter Chor die Werke Gottes feiert, giebt diesen Bildern 
den Ausdruck einer innigen, aber keineswegs asketisch strengen, 
sondern überaus heiteren, lebensfrohen Frömmigkeit. 
Zum Beschlusse dieser Nachrichten überiHubert und Johann 
van Eyck bleibt uns noch übrig, von ihren Geschwistern und von 
ihren unmittelbaren Schülern zu sprechen. Ihres Bruders Lambert 
ist schon oben gedacht und bemerkt, dass die Vermuthung, auch er 
sei Maler gewesen, sich nicht erweisen lasse 1). Dagegen war nach 
der Angabe des Lucas de Heere und van Mandefs ihre Schwester 
Margaretha, welche unverheirathet starb und neben ihrem Bruder 
Hubert in der St. Janskirche zu Gent begraben wurde, eine kunst- 
reiche Malerin. Von ihren Werken wissen wir indessen nichts und 
selbst die Annahme, dass ihr Fach hauptsächlich Miniaturmalerei ge- 
wesen, beruht nur auf Vermuthungi). 
1) Vgl. oben p. 150. 
2) Vasari, der in dem auf den Mittheilungen des Lampsonius beruhenden zu- 
sätzlichen Kapitel auch eine Aufzählung von flandrischen Miniatllrmalern giebt; 
nennt sie nicht. James Weale (Anz. für Kunde der deutschen Vorzeit 1863 p. 155) 
glaubte auf dem Gürtel der Madonna in einem kleinen Bilde ihren Namen ent- 
deckt zu haben, die vermeintlichen Buchstaben scheinen aber nur willkürliche 
Zierrathen zu sein. Pinchart ad Crowe und Cavalcaselle p. CCXV.
	        
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