Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

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Hubert und 
van Eyck. 
Johann 
die Tracht der heiligen Gestalten; Madonna erscheint mit Gold und 
Perlen an Krone und Agraffe, auf buntfarbigem Teppich und unter 
glänzendem Thronhimmel, die Heiligen sind festlich geschmückt, die 
Ritter in leuchtender Stahlrüstung, die Geistlichen in kostbarem, mit 
Figuren und Gold gestickten Messornate, die weiblichen Heiligen in 
höfischer Kleidung. Allerdings hatte dabei der Gedanke Einfluss, 
die Himmlischen durch dieselben Mittel zu ehren, durch welche die 
Grossen der Erde sich vor den gemeinen Sterblichen auszeichneten. 
Aber das war es nicht allein, sondern mehr noch die Vorliebe für 
das Glänzende und Leuchtende, für die Gegenstände, welche die 
Lichtstrahlen am kräftigsten und wirksamsten zurückwerfen. Die 
Empfänglichkeit für die Natur beruhte wesentlich auf dem erwachen- 
den Verständniss für die optischen Phänomene. Das Licht ist die 
Seele der Natur, der Abglanz des Göttlichen; erst in ihm werden wir 
uns der Einheit jener ohne dasselbe verwirrenden, unerschöpflichen 
Menge von Einzelheiten bewusst. Die Wunder des Lichtes zu offen- 
baren, das war eigentlich die Aufgabe der neuen Kunst; ihr genügte 
es nicht, es in seiner gleichmässigen landschaftlichen Verbreitung auf- 
zufassen, sondern sie bedurfte der Stellen, wo es sich in mehr als 
gewöhnlicher Kraft äusserte. Daher die Vorliebe für Gold und Edel- 
steine, für das Spiegelnde, Durchsichtige, Leuchtende; fast auf keinem 
Bilde aus dieser Zeit fehlt etwas der Art. Schon auf dem Genter 
Altar ist Gottes Scepter von durchscheinendem Krystall, in den Innen- 
räumen ist blank geputztes Messinggeräth oder die Wasserflasche an- 
gebracht, um das Helldunkel zu beleben, und selbst wo die Jungfrau 
im Freien sitzt, steigen die hellbeleuchteten Strahlen des Spring- 
brunnens aus einem glänzenden Metallbeckcn empor. Auch die sorg- 
fältige Ausführung der architektonischen Perspective hängt mit diesem 
Wohlgefallen an den optischen Phänomenen zusammen. Dies führt 
dann auch endlich so weit, dass, wie Facius in der Badestube be- 
schreibt, und wie es sich auf dem Verlobungsbilde in London findet, 
im Bilde noch ein Spiegel angebracht ist, der uns die Gestalten auch 
vom Rücken und. selbst andere ausserhalb des unmittelbaren im 
Bilde angenommenen Gesichtskreises zeigt. Es ist augenscheinlich, dass 
diese Nebendinge, die Perspective, die Spiegelungen, die naturtreue 
Darstellung der unzähligen Gegenstände, die Johann in seinen Bildern 
anbrachte, ihm zur Hauptsache wurden, dass sie ihn mehr beschäf- 
tigten, als die Sorge um die Schönheit der heiligen Gestalten. Sein 
beschriebenes Motto: „Als ich kann" bezieht sich ohne Zweifel nicht 
etwa darauf, dass ihm ein Schönheitsideal der Jungfrau vorschwebte, 
welches er nicht zu erreichen vermochte, sondern darauf, dass er
	        
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