Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

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van Eyck. 
Hubert und Johann 
herköinmlich war, unterwirft er sich, aber seine Madonnen sind weit 
entfernt von dem idealen Ausdruck, den Hubert der Jungfrau im 
Innern des Genter Altars in so bewundernswerther Weise zu geben 
wusste. Sie selbst haben mehr oder weniger breite niederländische 
Formen, während der Körper des Kindes klein und verkümmert, sein 
Kopf häufig alt und unschön erscheint, ohne den leisesten Anüug 
idealer Hoheit. Besonders auffallend ist dies auf dem Bilde des 
Canonicus Pala, also da, wo er mit etwas grösseren Dimensionen 
operiren musste; das Kind ist fast abstossend hässlich, die Haut wie 
getrocknet und ausgestopft, das Gesicht der Jungfrau Wenigstens 
nicht schön, mit harten Muskeln und dunkler Färbung. Auch in der 
Gewandung hat er das Gefühl für edeln einfachen Faltenwurf, das 
die Meister von Köln in so hohem Grade besassen, und das auch 
noch den Gestalten des Genter Altars nicht fehlt, fast ganz verloren. 
Meistens sind seine Gewänder schwer, mit stark gebrochenen eckigen 
Falten überladen. Zu der Freiheit der Phantasie, aus welcher ideale 
Formen hervorgehen, kann er sich nicht erheben; er hält sich an 
die zufällige Erscheinung und kann nicht davon lassen, sinnliches 
Detail zu häufen. Selbst bei den Bildnissen wird ihm das Zarte 
schwer; die Frauen gelingen ihm, wie das seiner eignen Frau zeigt, 
trotz sorgfältigster Behandlung nicht leicht. Die härteren Züge der 
bejahrten Frau des Jodocus Vydts sind schon besser und die männ- 
lichen Bildnisse in ihrer anspruchslosen Haltung und photographischen 
Treue ganz vorzüglich. Auch bei den Heiligen sind die Männer 
besser; sie sind eben wahre Porträts, in Zügen und Haltung ganz 
aus dem Leben genommen. Der St. Georg auf der eben genannten 
Tafel in der glänzenden Stahlrüstung mit dem ehrlichen gebräunten 
Gesicht und dem etwas unbeholfenen aber treuherzigen Grusse ist ge- 
wiss nicht ein Ideal edler und kühner Ritterlichkeit, sondern das treue 
Bild eines Kriegsmannes des fünfzehnten Jahrhunderts.  
Während er aber seinen Heiligen das Kleid abstracter Reinheit 
und Geistigkeit auszog und sie als natürliche, bürgerliche Gestalten 
auftreten liess, wusste er ihnen das dadurch Entzogene in anderer 
Weise zu ersetzen, indem er sie als den Mittelpunkt, als die Seele 
schöner natürlicher Umgebungen zeigte. Die alten Meister, denen 
die Natur ein unverständliches Chaos von Einzelheiten, die Schönheit 
aber ein aus der kirchlichen Ueberlieferung abstrahirtes Attribut der 
heiligen Gestalten war, hatten sich auf diese beschränken, in ihnen 
alles Edle und Hohe, dessen ihre Phantasie fähig war, concentriren 
müssen. Sie hatten sie daher auf den einfarbigen, allenfalls vergol- 
deten Hintergrund gestellt. Jetzt war die grosse Entdeckung ge-
	        
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