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van Eyck.
Hubert und Johann
herköinmlich war, unterwirft er sich, aber seine Madonnen sind weit
entfernt von dem idealen Ausdruck, den Hubert der Jungfrau im
Innern des Genter Altars in so bewundernswerther Weise zu geben
wusste. Sie selbst haben mehr oder weniger breite niederländische
Formen, während der Körper des Kindes klein und verkümmert, sein
Kopf häufig alt und unschön erscheint, ohne den leisesten Anüug
idealer Hoheit. Besonders auffallend ist dies auf dem Bilde des
Canonicus Pala, also da, wo er mit etwas grösseren Dimensionen
operiren musste; das Kind ist fast abstossend hässlich, die Haut wie
getrocknet und ausgestopft, das Gesicht der Jungfrau Wenigstens
nicht schön, mit harten Muskeln und dunkler Färbung. Auch in der
Gewandung hat er das Gefühl für edeln einfachen Faltenwurf, das
die Meister von Köln in so hohem Grade besassen, und das auch
noch den Gestalten des Genter Altars nicht fehlt, fast ganz verloren.
Meistens sind seine Gewänder schwer, mit stark gebrochenen eckigen
Falten überladen. Zu der Freiheit der Phantasie, aus welcher ideale
Formen hervorgehen, kann er sich nicht erheben; er hält sich an
die zufällige Erscheinung und kann nicht davon lassen, sinnliches
Detail zu häufen. Selbst bei den Bildnissen wird ihm das Zarte
schwer; die Frauen gelingen ihm, wie das seiner eignen Frau zeigt,
trotz sorgfältigster Behandlung nicht leicht. Die härteren Züge der
bejahrten Frau des Jodocus Vydts sind schon besser und die männ-
lichen Bildnisse in ihrer anspruchslosen Haltung und photographischen
Treue ganz vorzüglich. Auch bei den Heiligen sind die Männer
besser; sie sind eben wahre Porträts, in Zügen und Haltung ganz
aus dem Leben genommen. Der St. Georg auf der eben genannten
Tafel in der glänzenden Stahlrüstung mit dem ehrlichen gebräunten
Gesicht und dem etwas unbeholfenen aber treuherzigen Grusse ist ge-
wiss nicht ein Ideal edler und kühner Ritterlichkeit, sondern das treue
Bild eines Kriegsmannes des fünfzehnten Jahrhunderts.
Während er aber seinen Heiligen das Kleid abstracter Reinheit
und Geistigkeit auszog und sie als natürliche, bürgerliche Gestalten
auftreten liess, wusste er ihnen das dadurch Entzogene in anderer
Weise zu ersetzen, indem er sie als den Mittelpunkt, als die Seele
schöner natürlicher Umgebungen zeigte. Die alten Meister, denen
die Natur ein unverständliches Chaos von Einzelheiten, die Schönheit
aber ein aus der kirchlichen Ueberlieferung abstrahirtes Attribut der
heiligen Gestalten war, hatten sich auf diese beschränken, in ihnen
alles Edle und Hohe, dessen ihre Phantasie fähig war, concentriren
müssen. Sie hatten sie daher auf den einfarbigen, allenfalls vergol-
deten Hintergrund gestellt. Jetzt war die grosse Entdeckung ge-